
Das Buch Jesaia: Ein Gott, der weder «mit Witwen und Waisen Erbarmen hat» und dessen Gewand mit dem Blut der «Geschlachteten» bespritzt ist
Wie wenig vereinzelt, wie umfassend vielmehr die hier angesprochene archaisch inhumane, gewalttätige, straf- und vergeltungssüchtige Einstellung das biblische Gottes- das Weltverständnis bestimmt, kann ein Blick auf das dritte Kernstück des Alten Testamentes zeigen, das Buch Jesaia.
Auch hier findet sich weitgehend eine bedrückende Atmosphäre der Straf- und Gewaltandrohung, im schroffen Widerspruch zu der gerade mit Jesaia aufgrund einer hochselektiv erfolgenden entsprechenden religiösen Sozialisation eng verbundenen Assoziation von freudig-friedlicher Advents-und Weihnachtsstimmung.
So findet sich etwa im Kapitel 9, das die berühmten, wieder fast nur sehr selektiv zitierten und von den christlichen Kirchen auf Jesus bezogenen (Advents-)Verse enthält:
«Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht» (Jes. 9; 1) und «Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt . . . » (Verse 5 und 6), schon wenige Verse weiter die Beschreibung erbarmungsloser Bestrafung durch Gott:
«Da stachelte der Herr Jakobs Gegner auf und hetzte seine Feinde gegen ihn … Und sie fraßen Israel mit gierigem Maul …Die Führer dieses Volkes sind Verführer; wer sich von ihnen führen läßt, wird in die Irre geleitet. Deshalb verschont der Herr weder die Männer, noch hat er mit den Witwen und Waisen Erbarmen. Denn alle sind ruchlos und böse; aus jedem Mund kommt verruchtes Geschwätz. Doch bei alldem läßt sein Zorn nicht nach, seine Hand bleibt ausgestreckt … Der Zorn des Herrn der Heere versengte das Land; das Volk wurde ein Raub der Flammen…» Jes. 9; 10, 11, 15, 16, 18).
Und nur wenige Verse weiter findet sich wieder das Bild des gewalttätigen göttlichen Zuchtmeisters: «Weh, Assur, dem Stock meine Zorns! Es ist der Knüppel in meiner wütenden Hand. Gegen ein ruchloses Volk schicke ich ihn, auf die Nation, der ich zürne, lasse ich ihn los, damit er Beute erbeutet und raubt wie ein Räuber, sie zertritt wie den Staub auf den Straßen … Die Vernichtung ist beschlossen, die Gerechtigkeit flutet heran. Ja, Gott, der Herr der Heere, vollstreckt auf der ganzen Erde die Vernichtung, die er beschlossen hat» Jes. 10; 5, 6, 22, 23).
Diese Botschaft der Androhung exzessiver Strafen bis zur erbarmungslosen Vernichtung selbst von Kindern setzt sich im Kapitel 13, aus dem wir oben schon zitierten, in kaum noch zu steigernder Grausamkeit fort .
Auch die anderen Teile des Buches Jesaia vermitteln uns nicht gerade eine adventlich-weihnachtliche «Frohe Botschaft»:
«Seht her! Der Herr verheert und verwüstet die Erde; er verändert ihr Gesicht und zerstreut ihre Bewohner … Alle, die einst so heiter waren, seufzen und stöhnen. Verstummt ist der fröhliche Klang der Trommeln, der Lärm der Übermütigen ist zu Ende, verstummt ist der fröhliche Klang der Zither … Jede Freude ist verschwunden . . .» Jes. 24; 1, 7, 8, 11).
«Denn ich habe es von Gott, dem Herrn der Heere, gehört: Die Vernichtung der ganzen Welt ist beschlossen» Jes. 28; 22). «Seht her, der Herr kommt aus der Ferne. Sein Zorn ist entflammt, gewaltig drohend zieht er heran … Er spannt die Völker ins Joch und legt den Nationen den Zaum an, um sie in die Irre und ins Unheil zu fuhren … Vor der Stimme des Herrn wird Assur erschrecken, wenn er zuschlägt mit seinem Stock, jedes Mal, wenn die Zuchtrute auf Assur herabsaust, mit der der Herr auf es einschlägt» Jes. 30; 27, 28, 31, 32). «Mein Atem ist wie ein Feuer, das euch verzehrt. Die Völker werden zu Kalk verbrannt. Sie lodern wie abgehauene Dornen im Feuer. Ihr in der Ferne, hört was ich tue; ihr in der Nähe, erkennt meine Kraft!» Jes. 33; 11-13).
«Er macht die Rache zu seinem Gewand … Wie es die Taten verdienen, so übt er Vergeltung; er zürnt seinen Gegnern und vergilt seinen Feinden; bis hin zu den Inseln übt er Vergeltung» Jes. 59; 17, 18). «Denn jedes Volk und jedes Reich, das dir nicht dient, geht zugrunde, die Völker werden völlig vernichtet» Jes. 60; 12).
Besonders hart straft dieser Gott wieder Menschen, die sich nicht für ihn, sondern für andere Gottheiten entscheiden (also das Grund-und Menschenrecht der freien Religionsausübung wahrnehmen):
«Euch aber, die ihr den Herrn verlassen, meinen heiligen Berg vergessen, dem Glücksgott den Tisch gedeckt und dem Gott des Schicksals den Weinkrug gefüllt habt, überantworte ich dem Schwert: Ihr müßt euch alle ducken und werdet geschlachtet … Ihr habt getan, was mir mißfällt, und habt euch für das entschieden, was ich nicht will … Ihr werdet schreien vor Herzeleid und heulen vor Verzweiflung. Ihr müßt euren Namen dazu hergeben, daß meine Auserwählten ihn beim Eid als Fluchwort gebrauchen und sagen: Genauso töte dich Gott, der Herr» Jes. 65; 11, 12, 14, 15).
Daß auch schon geringfügigere Anlässe (wie etwa weibliche «Eitelkeit» und Freude, sich zu schmücken) die Straf- und Vergeltungssucht dieses biblischen Gottes auslösen können, zeigt im übrigen etwa Kapitel 3; 16-5.
Gravierend erscheint auch hier wieder der Umstand, daß Gott selbst die Verhärtung und Verstockung des Volkes bewirkt, «damit es sich nicht bekehre und nicht geheilt werde» (und so das Strafbedürfnis des biblischen Gottes bzw. des Bibelschreibers und -lesers befriedigt werden kann):
«Da sagte er (der Herr): „Hören sollt ihr, hören, aber nicht verstehen. Sehen sollt ihr, sehen, aber nicht erkennen. Verhärte das Herz dieses Volkes, verstopf, ihm die Ohren, verklebe ihm die Augen,damit es mit seinen Augen nicht sieht und mit seinen Ohren nicht hört, damit sein Herz nicht zur Einsicht kommt und sich nicht bekehrt und nicht geheilt wird.“ Ich fragte: „Wie lange, Herr?“ Er antwortete: „Bis die Städte verödet sind und unbewohnt, die Häuser menschenleer, bis das Ackerland zur Wüste geworden ist.“ Der Herr wird die Menschen weit weg treiben: dann ist das Land leer und verlassen. Bleibt darin noch ein Zehntel übrig – auch sie werden schließlich vernichtet…» Jes. 6;9-13). «Warum läßt du uns,Herr, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart, so daß wir dich nicht mehr fürchten?» Jes. 63; 17).
Fortsetzung folgt …….