Dr. Gunter Bleibohm: Konturen einer Ethik für freie Geister (2)

Grenzen der Erkenntnis

Alle folgenden Aussagen sind aus menschlicher Sicht, d.h. aus einem Denkvermögen, das auf dreidimensionale Strukturen ausgerichtet ist.

Bekanntermaßen gibt es Dimensionen im Universum der x-ten Art. Ob andere Aussagen getroffen würden, wenn sie für Menschen verstehbar wären, bleibt außer Acht.

Desgleichen sind alle Aussagen aus menschlicher Sicht, weil uns der Zugang zu anderen Lebensformen fehlt. Wir können sie beschreiben, ihre inneren Denk – und Kommunikationsstrukturen bleiben unzugänglich. Hieraus resultiert eine tiefe Einsamkeit des Individuums innerhalb der Gesamtheit aller Lebensformen und allen Lebens.

Grundfragen und Definitionen

Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?

Universum, Erde, Zeit und Kreatur sind kontingent, d.h. sie können sein, sie müssen nicht sein, sie könnten auch anders oder nicht sein, sie gehorchen keiner Notwendigkeit.

Das erkennbare Universum und damit alle Bestandteile in ihm unterliegen einem stetigen Wandel, permanenten Veränderungen, die dem Gesetz der Kausalität stringent folgen.

Der stetige Wandel hat seinen Anfangspunkt im ersten Impuls, den die Physik mit dem Urknall, die Religionen mit einem Gott beschreiben. Beide Setzungen kranken an dem Makel der Frage: „Was war hierfür die Ursache?“ Oder „Wer hat Gott geschaffen?“ Ignoramus, ignorabimus! Der auslösende Grund des Seins ist und bleibt unbekannt!

Absolute Bedeutungslosigkeit des Jetzt innerhalb der endlosen Zeit.

Das Sein gliedert sich in mineralische, kristalline Existenz und in belebte Strukturen. Die belebten Strukturen zerfallen in menschliche und nichtmenschliche Existenzen. Nichtmenschliche Existenzen umfassen pflanzliches und tierisches Leben. Jedes Leben wird von Leiden dominiert, das sich spätestens bei der Tragödie des Todes manifestiert. Aus dem Diktat der Geburt resultiert die Diktatur des Lebens.

Absolute Bedeutungslosigkeit des Individuums, da jede Kreatur ein unwesentliches Glied in einer endlosen biologischen Kette ist, Postulat der Sinnlosigkeit. Leidensfrei sind nur kristalline Strukturen.

Dr. Gunter Bleibohm: Die Frage des Warum

 

Das Universum entstand vor ca. 13, 7 Milliarden Jahren.

Ein Schöpfergott müsste demnach vor der Entstehung des Universums existiert haben. Wie lange vorher bleibt im unbekannten Bereich, ebenso sein Beweggrund, überhaupt ein Universum zu kreieren. War es Langeweile, war er woanders – ein Multiversum unterstellt – tätig, war es Experimentierfreude oder nur ein Zufallsergebnis? Wäre Gott überhaupt für den Menschen erkennbar, denn wenn ein Gott existiert, ist er für den Menschen auf Grund seiner dreidimensionalen Begrenztheit unerkennbar, denn wer die dritte Dimension – und die Kosmologie kennt höhere Dimensionen – schafft, muss mindestens einer höheren, dem Menschen unzugänglichen Dimension, angehören.

Ignoramus, ignorabimus – wir wissen es nicht und werden es nicht wissen!

Tatsache hingegen ist, dass er – si esset – 9 Milliarden Jahre sich mit einem unbelebten Weltall zufrieden gab, bis ihm dann vor ca. 4,7 Milliarden Jahren die Idee kam, im Seitenarm einer unbedeutenden Galaxie ein winziges Weltraumpartikel – „Erde“ später genannt – zu schaffen, um dort das fatale Experiment des Lebens durchzuführen.

Auch hier bleiben die gleichen Fragen wie zuvor, denn wozu waren 9 Milliarden Jahre Pause erforderlich? Und anschließend vergingen nochmal weitere 4,7 Milliarden Jahre, bis er ausgerechnet diesen Miniplaneten zur Offenlegung seiner eigenen Existenz durch zahllose, sich widersprechende Propheten und als Erscheinungsort seines Sohnes als Erlöser der Menschheit erwählte? Aber warum muss der Mensch überhaupt erlöst werden, von was erlöst und wenn Erlösung aus göttlicher Sicht erforderlich ist, warum wurde der Mensch nicht gleich erlöst konzipiert?

Kaum vorstellbar, kaum glaublich! Bereits Kaiser Friedrich II hatte diese Chimäre durchschaut, denn Papst Gregor IX warf ihm in einem Schreiben vom 21.5.1239 vor, Friedrich II solle gesagt haben: „… von drei Schwindlern, nämlich Jesus Christus, Moses und Mohammed sei die ganze Welt betrogen worden.“

Überträgt man die eigentümliche Offenbarung der Gottesexistenz ins Universelle, ergibt sich nachstehender Fragenkomplex:

Angenommen, dass es außerhalb der Erde weitere Planeten gibt, auf denen unserer Welt vergleichbares Leben und Lebensformen existieren, hat dorthin Gott auch seinen Sohn als Erlöser geschickt? Gibt es dann mehrere Erlöser im Universum und wenn ja, sind es immer die gleichen oder ist es jedes Mal ein anderer Sohn?

Reduziert man die Gottesmöglichkeit auf die Gegebenheiten der Erde, drängt sich die Überlegung auf, warum alle Spezies – außer dem Menschen – in Unkenntnis von der Gottesexistenz gelassen wurde. Bei keinem Tier, von der Bakterie bis zum Spatz, vom Hering bis zur Qualle ist das Vorhandensein einer Gottesexistenz zu beobachten, allerdings auch nicht das Bedürfnis danach. Wenn es Gott gibt, warum verbirgt er sich dann vor der Majorität seiner Wesen in der Anonymität, lässt sie nicht teilhaben an seinem Wissen, seiner Zuwendung? Oder weiter gefragt, ist das überhaupt ein liebender, ein mitfühlender, ein vernünftiger Gott, der seine Spezies nur erschafft, damit sie sich zum Überleben gegenseitig auffressen müssen und eine Spezies – den Menschen – allen anderen Wesen überordnet?



Dr. Gunter Bleibohm:Ausgewählte Gedanken zur fragwürdigen Gottesidee

Das Nichts und das Sein

Wurde das auseinanderdriftende Universum im endlosen Raum und in der endlosen Zeit von einem Schöpfer gemacht? Bejaht man diese Annahme, folgt umgehend die Frage: Wer hat dann aber Gott gemacht? Er sich selbst?

Diese Annahme würde aber die Aufhebung des Kausalitätsgesetzes, das Ende von Ursache und Wirkung, nach sich ziehen.

Hat er sich selbst erschaffen, aus dem Nichts als Seiendes manifestiert, so ist die Hypothese naheliegend, Gott und das Nichts sind identisch, beides sind Synonyme und beide Zustände sind gleichzeitig möglich. Diese Frage ist mit dem Gedankenexperiment von Schrödingers Katze identisch, die im gleichen Zeitpunkt sowohl tot als auch lebendig sein kann und in der Physik als quantenmechanische Superposition bekannt ist.

Damit reduziert sich die Gottesidee aber zu einem Problem der Quantenphysik, die hierfür alle erforderlichen Lösungsansätze bereit hält.

Permanente Schöpfung

Gott hat die Welt und das Universum geschaffen – lautet schlagwortartig eine Erkenntnis/Behauptung der Monotheisten und ist als statisches Bild in den „Heiligen Schriften“ verankert.

Das Universum hingegen unterliegt einer ungeheuren Dynamik, einem stetigen Wandel. Es ist der Raum selbst, der sich ausdehnt, die Galaxien werden mit wachsender Fluchtgeschwindigkeit mitbewegt. Neue Galaxien mit zahllosen Sternen entstehen ständig in den Tiefen des Universums und andere vergehen wieder.

Hieraus resultiert die Frage, ob – die Existenz Gottes angenommen – Gott an diesen Stellen noch am „Erschaffen, Umbauen, Zerstören anderer Welten“ ist oder war die Schöpfung für ihn mit dem desolaten Ergebnis, das er mit und auf unserem Heimatplaneten angerichtet hat, als Versuch gescheitert, die Schöpfung der Erde ein einmaliger Akt und für ihn dann ein für alle Mal erledigt? Hat er dann weitere „Schöpfungen“ den Gesetzen der Physik überlassen? Oder einem nachgeordneten Demiurgen? Oder war der gepriesene Weltenschöpfer selbst nur ein Unter-Demiurg? Wer aber war dann der Haupt-demiurg?