Dr. Gunter Bleibohm: Die Frage des Warum

 

Das Universum entstand vor ca. 13, 7 Milliarden Jahren.

Ein Schöpfergott müsste demnach vor der Entstehung des Universums existiert haben. Wie lange vorher bleibt im unbekannten Bereich, ebenso sein Beweggrund, überhaupt ein Universum zu kreieren. War es Langeweile, war er woanders – ein Multiversum unterstellt – tätig, war es Experimentierfreude oder nur ein Zufallsergebnis? Wäre Gott überhaupt für den Menschen erkennbar, denn wenn ein Gott existiert, ist er für den Menschen auf Grund seiner dreidimensionalen Begrenztheit unerkennbar, denn wer die dritte Dimension – und die Kosmologie kennt höhere Dimensionen – schafft, muss mindestens einer höheren, dem Menschen unzugänglichen Dimension, angehören.

Ignoramus, ignorabimus – wir wissen es nicht und werden es nicht wissen!

Tatsache hingegen ist, dass er – si esset – 9 Milliarden Jahre sich mit einem unbelebten Weltall zufrieden gab, bis ihm dann vor ca. 4,7 Milliarden Jahren die Idee kam, im Seitenarm einer unbedeutenden Galaxie ein winziges Weltraumpartikel – „Erde“ später genannt – zu schaffen, um dort das fatale Experiment des Lebens durchzuführen.

Auch hier bleiben die gleichen Fragen wie zuvor, denn wozu waren 9 Milliarden Jahre Pause erforderlich? Und anschließend vergingen nochmal weitere 4,7 Milliarden Jahre, bis er ausgerechnet diesen Miniplaneten zur Offenlegung seiner eigenen Existenz durch zahllose, sich widersprechende Propheten und als Erscheinungsort seines Sohnes als Erlöser der Menschheit erwählte? Aber warum muss der Mensch überhaupt erlöst werden, von was erlöst und wenn Erlösung aus göttlicher Sicht erforderlich ist, warum wurde der Mensch nicht gleich erlöst konzipiert?

Kaum vorstellbar, kaum glaublich! Bereits Kaiser Friedrich II hatte diese Chimäre durchschaut, denn Papst Gregor IX warf ihm in einem Schreiben vom 21.5.1239 vor, Friedrich II solle gesagt haben: „… von drei Schwindlern, nämlich Jesus Christus, Moses und Mohammed sei die ganze Welt betrogen worden.“

Überträgt man die eigentümliche Offenbarung der Gottesexistenz ins Universelle, ergibt sich nachstehender Fragenkomplex:

Angenommen, dass es außerhalb der Erde weitere Planeten gibt, auf denen unserer Welt vergleichbares Leben und Lebensformen existieren, hat dorthin Gott auch seinen Sohn als Erlöser geschickt? Gibt es dann mehrere Erlöser im Universum und wenn ja, sind es immer die gleichen oder ist es jedes Mal ein anderer Sohn?

Reduziert man die Gottesmöglichkeit auf die Gegebenheiten der Erde, drängt sich die Überlegung auf, warum alle Spezies – außer dem Menschen – in Unkenntnis von der Gottesexistenz gelassen wurde. Bei keinem Tier, von der Bakterie bis zum Spatz, vom Hering bis zur Qualle ist das Vorhandensein einer Gottesexistenz zu beobachten, allerdings auch nicht das Bedürfnis danach. Wenn es Gott gibt, warum verbirgt er sich dann vor der Majorität seiner Wesen in der Anonymität, lässt sie nicht teilhaben an seinem Wissen, seiner Zuwendung? Oder weiter gefragt, ist das überhaupt ein liebender, ein mitfühlender, ein vernünftiger Gott, der seine Spezies nur erschafft, damit sie sich zum Überleben gegenseitig auffressen müssen und eine Spezies – den Menschen – allen anderen Wesen überordnet?



Das Evangelium – die allein seligmachende Wahrheit?


Christliche Religionen verkünden das sogenannte Evangelium. Und alle an dieses Evangelium glaubenden Christenmenschen sind unerschütterlich davon überzeugt, dass Gott existiert und in der Bibel, der „Heiligen Schrift“, im „Buch der Bücher“ zu uns Menschen gesprochen hat. Diesem „Wort Gottes“ vertrauend, verkünden und predigen uns die christlichen Kirchen, wie Gott angeblich wirkt und was er angeblich tut, wo und wie er sich angeblich finden lässt und wo er uns begegnet. Mit ihren Aussagen jedoch erheben die christlichen Kirchen einen Wahrheitsanspruch, der sich letztlich und eigentlich jedem gesunden Menschenverstand entzieht.

Dieser Wahrheitsanspruch äußert sich in der Überzeugung: „Nur wir sind im Besitz der allein seligmachenden Wahrheit! Nur unser Glaube ist der einzig wahre Glaube!“

Und aller menschlichen Vernunft zum Trotz behaupten das natürlich auch alle anderen Religionen: „Die Wahrheit ist allein auf unserer Seite und alles andere ist Lug und Trug!“ Wie seltsam und merkwürdig jedoch, dass jede Religion mit gleichem Anspruch etwas anderes behauptet. Und wie kompliziert doch alles ist, denn wie soll man an einen Gott glauben, wenn jede Religion über ihn anders denkt und ihn anders beschreibt?

Je mehr man darüber nachdenkt, um so mehr gelangt man zu dem Schluß: der Wahrheitsanspruch einer Religion ist und bleibt stets sehr, sehr fragwürdig, denn weil es ja nur eine Wahrheit geben kann, dürfte es nie und nimmer verschiedene und mehrere geben. Ganz zu schweigen von den vielen existierenden Sekten, die sich auf die Lehren und Argumente der großen Kirchen grundsätzlich nicht einlassen. Somit ist das Wahrheitsmonopol der christlichen Religionen und Kirchen doch sehr anmaßend und arrogant: „Wir haben recht. Egal, was ihr Ungläubigen auch immer sagt, denkt und glaubt: Die Wahrheit ist nicht in Euch, sondern allein in uns!“

Tatsächlich? Ich kann unmöglich vieles glauben, was uns einerseits die Bibel und andererseits die christlichen Kirchen erzählen und als vermeintliche Wahrheit predigen und verkündigen. Ich kann nicht glauben, dass z.Bsp. Jesus von einer „unbefleckten“ Jungfrau namens Maria geboren wurde und diesbezüglich weder ein Josef noch irgendein anderer Sexualpartner benötigt wurde. Ich kann ebenso wenig glauben, dass z.B. Jona drei Tage lang im Bauch eines Fisches zu überleben vermochte.

Nun gibt es Christen, die mir angesichts dieser und vieler anderer Zweifel entgegnen, dass für Gott nichts unmöglich wäre und die Wahrheit somit nicht in mir, sondern in denen zu finden sei, die sich Gott geöffnet haben und fest an ihn glauben würden. Tatsächlich? Wie können Menschen nur glauben und fest davon überzeugt sein, dass ein persönlicher Gott diese Welt, das Universum, unsere Erde und alles auf ihr existierende Leben nur deswegen erschaffen hat, um sie letztlich uns Menschen zu übereignen und vertrauensvoll in unsere Hände zu legen?

Vermutlich vermögen Menschen dies alles nur zu glauben, weil es doch letztlich ein gutes Gefühl ist, ein religiöses Weltbild mit sich herumzuschleppen, welches uns Menschen in den Mittelpunkt göttlicher Aufmerksamkeit stellt. Und wie können Christen eigentlich daran festhalten, dass dieser Gott, an den sie glauben, angesichts milliardenfach gequälter und ermordeter Tiere für die Gaumenfreuden der angeblichen „Krone der Schöpfung“, angesichts millionenfach ermordeter Juden in den Konzentrationslagern oder auch angesichts vieler Naturkatastrophen, die stets unendlich viel Leid und Elend über viele betroffene Menschen bringen, ein gütiger und liebender Gott ist?

Am 26. Dezember 2004 erschütterte ein Seebeben den Meeresboden vor der indonesischen Insel Sumatra. Dabei ausgelöste Tsunamis haben ganze Küstenstreifen auf Sumatra, in Sri Lanka, Indien sowie zahlreichen weiteren Staaten Südasiens und Ostafrikas verwüstet und weit mehr als 230.000 Tote gefordert. Nach einem dieser verheerenden Tsunamis wurde an Thailands Küste ein lebendes Kleinkind auf einer Luftmatratze angespült. Unfaßbar: In diesem angespülten und noch lebenden Kind sahen viele Christen einen Beweis für das gütige Handeln eines liebevollen Gottes. Welch ein „gütiger Gott“, der ein Kind vor dem sicheren Tod bewahrte und andererseits mehr als 230.000 Menschen in den Fluten des wütenden Tsunamis sterben und umkommen ließ.

Wie „wahr“ es doch ist, wenn Christen meinen und glauben, dass dieser biblische Gott ein allmächtiger, gütiger und uns Menschen liebender Gott sei! Und wie „wahr“ doch auch letztlich alle kirchliche Lehre und Verkündigung ist. Wahrhaftig: sucht man nach der Wahrheit, dann finden wir sie in einer Kirche, die jahrhundertelang Frauen unterdrückte, Minderheiten verfolgte und vielerlei Verbrechen zu verantworten hat. Aber nun, nachdem ihnen die Felle davonzuschwimmen drohen, sind unsere christlichen Kirchen fieberhaft damit beschäftigt, viele ihrer sogenannten „Wahrheiten“ zu verbiegen und zu manipulieren, denn nach wie vor ist es des Bodenpersonals Gottes größte Priorität: Unsere Religion ist die allein Seligmachende und wer die Wahrheit sucht, der findet sie nur in unserer Kirche und in der „Heiligen Schrift“.

Richard Dawkins über Religion und Gott :