Tierärzte über das Schlachten ohne Betäubung

Eine gewagte, aber konsequente Forderung

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 2006, betreffend die Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schlachten (s. DTBl. 4/2007 S. 440), hat die Diskussion um die Tierschutzrelevanz der betäubungslosen Schlachtung erneut angefacht – enttäuschte es doch die vielfach gehegte Hoffnung, dass künftig weniger betäubungslose Schlachtungen stattfinden würden.

Die Initiative des Bundeslandes Hessen zur Änderung des § 4 a Tierschutzgesetz könnte hier insoweit das Problem entschärfen, als eine noch rigidere Prüfung von Ausnahmeanträgen die Zahl der betäubungslosen Schlachtungen reduzieren würde. Selbst wenn aber die hessische Initiative Erfolg haben sollte, bliebe doch die Tatsache bestehen, dass beim betäubungslosen Schlachten – auch wenn es legal und unter definierten Bedingungen durchgeführt wird – immer wieder tierschutzrelevante Tatbestände auftreten. Aus diesem Grund hat die BTK-Delegiertenversammlung am 23./24. März 2007 in Dresden beschlossen, vom Gesetzgeber eine Änderung des § 4 a TierSchG dahingehend zu fordern, dass § 4a Abs. 2 Nr. 2 gestrichen werden solle. Die Forderung, so die Delegiertenversammlung, solle u.a. untermauert werden mit einem Gutachten des Beratungs- und Schulungsinstituts für schonenden Umgang mit Zucht- und Schlachttieren (bsi) in Schwarzenbek. Zu diesem Zweck wurde am bsi eine Literaturstudie und -auswertung erstellt, die hier leicht verkürzt wiedergegeben wird.

Die Studie verdeutlicht, dass die betäubungslose Schlachtung sehr fehleranfällig ist, und dass die Voraussetzungen für eine optimale Durchführung unter Praxisbedingungen nur schwer oder gar nicht einzuhalten sind. Während der unmittelbaren Führung des Halsschnittes am unbetäubten Tier muss von der Entstehung erheblicher Schmerzen und Leiden ausgegangen werden. Betrachtet man darüber hinaus den gesamten Vorgang von der Fixierung des Tieres bis zum endgültigen Verlust der Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit infolge der Ausblutung, so ist aus der Literatur zu entnehmen, dass es selbst unter optimalen Bedingungen bei dem überwiegenden Teil betäubungslos geschlachteter Tiere zu erheblichen Leiden und Schmerzen kommt.

Daher ist es gerechtfertigt, keine Ausnahme zur religiös begründeten betäubungslosen Schlachtung – also auch der nach mosaischem Ritus – zuzulassen. Diese Forderung mag u. a. vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit und der gesellschaftspolitisch geforderten Sensibilität im Umgang mit Fragen des Judentum betreffend nicht opportun erscheinen. Trotzdem ist sie aus Sicht der Bundestierärztekammer notwendig und konsequent, will die Tierärzteschaft ihrer in § 1 Bundes-Tierärzteordnung festgelegten Verpflichtung gerecht werden, „ … Leiden … der Tiere … zu verhindern …“.

Der oben abgebildete Weinbergsche Umlegeapparat gilt allgemein als schonende Möglichkeit zur Fixierung. Aber ist er das wirklich? Das Tier wird in die Trommel getrieben. Dann fahren von hinten und von den Seiten verschiebbare Metallplatten zusammen und zwängen es ein. Der Kopf wird mittels eines Metallbügels nach oben gedrückt, um den Hals maximal zu strecken. Die ganze Zeit über scheppert und quietscht, zischt und pfeift es. Der Lärm, bedingt durch die Hydraulik und Mechanik des Apparates, ist beachtlich und unterscheidet sich deutlich von der Geräuschkulisse beim normalen Schlachten.


Tierschutz bei der betäubungslosen Schlachtung aus religiösen Gründen

Aus dem Gutachten des Beratungs- und Schulungsinstituts für schonenden Umgang mit Zucht- und Schlachttieren

Von Martin von Wenzlawowicz und Karen von Holleben

Die Diskussion um die Tierschutzgerechtigkeit der betäubungslosen Schlachtungen aus religiösen Gründen wird auch im tierärztlichen Kollegenkreis immer wieder kontrovers geführt. Ebenso wie die Schlachttierbetäubung ein Spezialgebiet ist und Reaktionen der Tiere im Zusammenhang mit direkten Wirkungen der Betäubungsverfahren nicht immer leicht zu interpretieren sind, ist auch der Halsschnitt an einem unbetäubten Tier eine für einen Tierarzt nicht alltägliche Situation.

Für Schlachtungen mit oder ohne Betäubung gilt allgemein, dass während der Betäubung und Entblutung meistens nur relativ wenig Zeit bleibt, um Symptome zu erfassen, die sich zudem noch ständig wandeln oder abschwächen und nur begrenzt reproduzierbar sind. Diese Situation erfordert ein schnelles und sicheres Urteilsvermögen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass das Tier beim betäubungslosen Schlachten aus verschiedenen Gründen – sei es die mechanische Bewegungseinschränkung, sei es die Durchtrennung des Rückenmarks – möglicherweise nicht mehr in der Lage ist, Schmerzen zu äußern.

Das Beratungs- und Schulungsinstitut für schonenden Umgang mit Zucht- und Schlachttieren (bsi), Schwarzenbek, hat deshalb im Auftrag der Bundestierärztekammer neuere Erkenntnisse aus der Literatur zur Entstehung und Interpretation von Angst, Schmerzen und Leiden bei der Schlachtung ohne Betäubung zusammengestellt. Das erstellte Gutachten mit dem Titel „Tierschutz bei der betäubungslosen Schlachtung aus religiösen Gründen“ untermauert die Forderung der Bundestierärztekammer nach Streichung des Absatz 2 Nr. 2 aus dem § 4 a des Tierschutzgesetzes, der die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung von der Betäubungspflicht vorsieht, wenn religiöse Vorschriften dies zwingend gebieten.

Vielfältige Äußerungen von Angst

Angst ist ein unangenehmer emotionaler Zustand bei Erwartung eines stark negativen Ereignisses. Angst zeigt sich bei Tieren z. B. durch Aufreißen der Augen, reduziertes Erkundungsverhalten bis hin zur Erstarrung (freezing), gesteigerte Häufigkeit des Kot- und Harnabsetzens, reduzierte Futteraufnahme, erhöhte Zeit bis zum Verlassen eines sicheren Verstecks, gesteigerte Herz- und Atemfrequenz, verminderten Speichelfluss, Magengeschwüre, gesteigerte Aufmerksamkeit und Agilität, Lecken des eigenen Körpers und Fluchtintentionen.

Ferner werden bei Rind und Schaf beispielsweise die Verzögerungszeit vor einer Annäherung an ein unbekanntes Objekt, Zeiten stillen Stehens, Häufigkeiten von Kopfheben oder Verzögerungszeiten beim Fressen mit Angst in Verbindung gebracht. In neueren Untersuchungen wurde beim Rind der Grad der Öffnung des Auges in Form des sichtbaren Weißanteils quantifiziert und in Zusammenhang mit der Ausschüttung von Cortisol gebracht.

Angst und damit verbundenes ängstliches Verhalten sind individuell und genetisch bedingt unterschiedlich. Im Hinblick auf die Schlachtung bedeutet dies, dass eine ganze Bandbreite von Symptomen unter dem Komplex Angst einzuordnen ist – zwischen offensichtlicher Unruhe und Fluchtversuchen bei weit aufgerissenen Augen einerseits und einem erstarrten Tier mit leicht bebenden Nüstern, das sich evtl. häufig über die Lippen leckt, andererseits. Bedeutsam sind Angst und Erregung auch im Hinblick auf die Wirksamkeit von Betäubungsmethoden und die Effektivität der Entblutung.

Variabilität der Stressreaktionen und Schmerzäußerungen

Um Belastungsreaktionen richtig zu deuten oder vorauszusagen, sind genetische und individuelle Variationen zu berücksichtigen. Beispielsweise wirken sich unterschiedliche „Temperamente“ von Rindern auf Entstehungswahrscheinlichkeit von DFD-Fleisch aus, wobei Färsen empfindlicher sind als Ochsen und insbesondere Tiere mit großer Muskelmasse betroffen sind. Britische Rassen wie Angus und Galloway aber auch einige Linien europäischer Rinderrassen gelten als leicht erregbar.

Situationsbedingt sind Angst und Stressreaktionen vermindert im Beisein von Artgenossen, je nach Haltungssystem und vorherigem Kontakt zum Menschen. Stressmindernd wirken bekannte Menschen oder bekannte Situationen.

In der tierärztlichen Praxis lässt sich beobachten, dass Reaktionen bei Eingriffen nicht unbedingt proportional zum Schmerzreiz, sondern durch viele individuelle Faktoren beeinflusst sind. Rinder der fleischbetonten Rassen reagieren stärker als Milchrassen. Männliche Tiere scheinen empfindlicher als weibliche Tiere. Kälber reagieren weniger stark als Jungrinder und junge Kühe. Ältere Kühe reagieren weniger intensiv als jüngere Kühe und Jungtiere.

Mögliche Schmerzäußerungen beim Tier sind: Fluchtreaktionen, unnormale Haltung, Schonhaltungen, Lautäußerungen oder Aggression insbesondere beim Handling, Zurückziehen bei Berührung der schmerzhaften Stelle, Scheuen, Verstecken, Stillliegen, Schlaflosigkeit, Lecken oder Beißen, unnormale Atmung (erhöhte Atemfrequenz, stöhnendes Atmen, flache Atmung), Muskelanspannung, Muskelzittern, Zucken, häufige Positionswechsel, Unruhe, Wälzen, Schlagen, sich Aufkrümmen, Schwanzwedeln, Meiden der schmerzauslösenden Situation. Diese Symptome sind oft nicht leicht erkennbar.

Grant untersuchte an Schafen, die erfahrungsgemäß Schmerzen nur undeutlich äußern, nach verschiedenen Eingriffen wie Brennen, Kastrieren, Schwanzkürzen oder Einziehen von Ohrmarken das Schmerzäußerungsverhalten und schlussfolgert, dass verschiedene Schmerzintensitäten unterschiedlich stark wahrgenommen und geäußert werden. Er beobachtete aber auch, dass es für verschiedene Arten von Schmerz (Schneiden, Brennen) unterschiedliche Ausdrucksmittel gibt.

Neben spezifischen Äußerungen wie unnormale Haltung, Unruhe, Schlagen, Wälzen und Stampfen werden Symptome wie ‚Schwanzwedeln’ und ‚Vokalisation’ nicht nur durch Schmerzen motiviert und sind deshalb schlecht standardisierbar. Eine angemessene Beurteilung der Situation ist dennoch aufgrund der Gesamtsymptomatik möglich. Fatale Fehlinterpretationen geschehen aber immer wieder bei Tierarten, die zu Lautäußerungen nicht fähig sind und deren Schmerzsymptome anders sind als die des Menschen. Schmerz- und Stressreaktionen, z. B. im Zusammenhang mit der Schlachtung sind sehr variabel je nach individuellen und genetischen Prädispositionen. Schmerzäußerungen sind abhängig von der Stärke und Art des Schmerzes und können sehr unspezifisch sein, z.B. Schwanzwedeln oder Lecken.

Schmerz und Schmerzwahrnehmung

Nach einer Definition der „International Association for the study of pain“ (1979) ist „Schmerz eine unangenehme sensorische und gefühlsmäßige Erfahrung, die mit akuter oder potentieller Gewebeschädigung einhergeht oder in Form solcher Schädigungen beschrieben wird“.

Das neurophysiologische System zur Schmerzwahrnehmung bei Mensch und Tier (nozizeptives System) ist ein protektives System. Bei Säugern hat es die Aufgabe,

• Schadenssituationen und -reize (Noxen) aufzunehmen,
• diese im Hinblick auf Gefährlichkeit zu bewerten und
• Schutzreaktionen auszulösen.

Das nozizeptive Nervensystem funktioniert bei allen Säugern gleichartig, wie aus einer Vielzahl von neurophysiologischen Untersuchungen und Verhaltensstudien geschlossen werden kann. Große Unterschiede zwischen Tier und Mensch bestehen jedoch hinsichtlich der Wahrnehmung einer Schmerzsituation, also den kognitiv gesteuerten Reaktionen zur Beendigung, Vermeidung und Bewältigung eines Schmerzzustandes.

Nicht alle Traumen sind unmittelbar schmerzhaft. Stress kann die Übermittlung von Schmerzreizen in Rückenmark und Gehirn unterdrücken. Körpereigene Schmerzstillungsmechanismen in lebensbedrohlichen Situationen (also bei Kämpfen, Gefahren oder starker körperlicher Beanspruchung) werden auf die Ausschüttung endogener Opioide zurückgeführt. Diese stressinduzierte Analgesie ist beim Menschen durch eindrucksvolle Beispiele bei schweren Kriegs- und Unfallverletzungen dokumentiert, wenn auch offenbar abhängig von der Art des Traumas.

Melzak et al. stellten bei Untersuchungen in einer Notfallklinik fest, dass 37 Prozent der Patienten mit Schnitt- und Platzwunden den Schmerz zum Zeitpunkt der Verletzung nicht gespürt hatten. Bei Befragungen zu tief in das Gewebe eindringenden Verletzungen (Frakturen, Stichen, Quetschungen) fühlten nur 28 Prozent der Patienten den Schmerz nicht sofort.

Aus praktischen Erfahrungen am Tier geht hervor, dass Schmerzen trotz Stress wahrgenommen, wenn auch nicht immer deutlich geäußert werden. Kleine Eingriffe wie die Punktion der Halsvene (Vena jugularis) oder die subkutane Injektion von Tuberkulin können trotz Verwendung scharfer Kanülen deutliche Schmerz- und Schreckreaktionen bewirken bis hin zu Aufbrüllen und Panikattacken.

Nach Fraktur der Metakarpalknochen etwa, oder bei Hornabrissen mit Schädelfrakturen – Traumen die zweifellos hochgradige akute Schmerzen verursachen – lassen sich hingegen erst bei genauer Beobachtung lediglich verhaltene Reaktionen wie beschleunigte Atmung, Zittern, Schwitzen oder vergrößerte Augenöffnung erkennen.

Auch Rinder, die offensichtlich im Klauenstand unter starkem Stress stehen (weit aufgerissene Augen, Lautäußerungen) und schmerzhaft fixiert sind, können dennoch stark auf das Abnehmen eines Verbandes an einer entzündeten Klaue reagieren. Während der betäubungslosen Schlachtung können Schmerzäußerungen maskiert sein, und zwar einerseits infolge von Bewegungseinschränkung, andererseits auch durch Lähmungen des Tieres infolge Durchtrennung des Rückenmarks. Im Hinblick auf die Beurteilung der Schmerzen während der (betäubungslosen) Schlachtung bedeutet dies: Auch wenn keine Symptome von Leiden und Schmerzen festgestellt werden können, heißt dies nicht, dass die Tiere nicht leiden oder Schmerzen empfinden.

Angst, Leiden und Schmerzen beim Ruhigstellen zur betäubungslosen Schlachtung

Rinder und Schafe werden vor der betäubungslosen Schlachtung in Rücken- bzw. Seitenlage aber auch im Stehen ruhiggestellt. Die Verbringung in Seiten- oder Rückenlage erfolgt entweder auf einem Schlachttisch (Schafe), durch Fesseln und Zu-Boden-Werfen oder mit Hilfe rotierender Fixierungseinrichtungen (z. B. Weinberg’scher Apparat, Facomia-Pen beim Rind), die die Tiere seitlich einengen und drehen. Schafe und Kälber werden auch manuell ruhiggestellt.
Die infolge der Fixierung auftretenden Belastungen sind abhängig

• vom Grad der Fixierung,
• von der Qualität des Zutriebs,
• von der Konstruktion der Fixierungseinrichtung,
• von der Dauer der Fixierung sowie
• von tierspezifischen Faktoren (Aufregung, Abwehrreaktionen,).

Die Belastungen beim Eintrieb der Tiere in die häufig kompliziert aufgebauten Drehfallen hängen neben den Erfahrungen der Tiere und dem Umgang mit ihnen auch von der Gestaltung der Fallen ab, beispielsweise Beleuchtung, Materialien im Boden und Wandbereich, Konstruktion der Kopfhalter sowie Klapper- oder Zischgeräusche.

Rinder werden oft nur mit dem Einsatz des Elektrotreibers eingetrieben, was zu gesteigerter Erregung bereits vor der Fixierung und vermehrten Abwehrbewegungen während und nach dem Halsschnitt führt. Diese Bewegungen können einerseits unregelmäßige Schnittführung bzw. Wiederholungsschnitte bedingen, andererseits eine verzögerte Entblutung bei schlecht geführtem Schnitt und Bildung von Thromben. Tiere sind umso länger empfindungs- und wahrnehmungsfähig nach dem Halsschnitt, je stärker sie davor belastet wurden.

Die optimale Fixierung von Rindern vor dem rituellen Halsschnitt ist die Fixierung im Stehen. Negative Auswirkungen der Fixierung in den Drehfallen sind vergleichsweise

• längere Zeiten bis zum Fixieren,
• längere Dauer der Abwehrbewegungen,
• höhere Zahl der Lautäußerungen, insbesondere bei offenem Maul,
• forcierte Atmung, besonders in Rückenlage,
• vermehrtes Schäumen aus dem Maul,
• Vorwärtsdrängen,
• höherer Anstieg von Cortisol und Hämatokrit.

Die Abwehrreaktionen von Rindern, deren Hals nach dem Auf-den-Rücken-Drehen gestreckt wurde, waren stärker als die von Tieren, bei denen der Hals gestreckt wurde, bevor sie auf den Rücken gedreht wurden. Bei kurzfristiger Fixierung in Seitenlage werden Rinder weniger belastet als in Rückenlage, weil der Pansen nicht auf das Diaphragma drückt und so keine Atemschwierigkeiten verursacht. Dennoch muss von einer Belastung durch die Manipulation auch bei der Fixierung in Seitenlage ausgegangen werden.

Schafe sind aufgrund ihres geringeren Körpergewichtes und der geringeren Körperkraft leichter und schneller ruhig zu stellen. Untersuchungen belegen aber, dass Schafe, die 30 Sekunden lang auf den Rücken gedreht wurden, sich beim nächsten Mal wesentlich schwerer den Treibgang entlang treiben ließen, der zu dieser Manipulation führte. Grund sind offenbar negative Erfahrungen.

Wichtig ist folglich, dass das Ruhigstellen von Schafen schnell und entschieden aber unter möglichst wenig Krafteinwirkung durchgeführt wird, um unnötige Belastungen zu vermeiden. Die schnelle manuelle Ruhigstellung von Schafen aus der Gruppe heraus in Seitenlage auf einem Schlachttisch kann als schonende Ruhigstellungsmethode bezeichnet werden, wenn diese ohne Greifen ins Vlies und ruhig durchgeführt wird. Die Ruhigstellung von Rindern und Schafen zur betäubungslosen Schlachtung ist aufgrund der notwendigen Streckung des Halses und des Offenhaltens der Wunde auch nach dem Schnitt anspruchsvoll. Fehler bei der Fixierung können eine verlängerte Zeit bis zum Verlust der Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit bedingen.

Leiden und Schmerzen durch den Entbluteschnitt ohne vorherige Betäubung

Während eines lege artis ausgeführten Halsschnittes werden bei Säugetieren folgende Strukturen durchtrennt:

Haut, lange Zungenbeinmuskeln, Luftröhre, Speiseröhre, beide Drosselvenen, beide Halsschlagadern, beide Trunci vagosympathici, beide Nervi recurentes, beide Trunci jugulares sowie zum Teil der Musculus longissimus colli. Der oder die Entbluteschnitte verursachen dabei erhebliche Schädigungen in Geweben, die gut mit Schmerzrezeptoren ausgestattet sind.

Die Interpretation von Reaktionen betäubungslos geschlachteter Tiere während und nach dem Schnitt gründet sich häufig auf Erfahrungsberichte, bei denen Begleitumstände nicht immer bekannt sind.  Beim Entbluteschnitt zur religiösen Schlachtung ohne Betäubung gibt es nach Grandin und Regenstein in guten Ruhigstellungseinrichtungen (im Stehen) bei der Verwendung eines scharfen und ausreichend langen Messers bei Kälbern und ausgewachsenen Rindern kaum erkennbare Reaktionen. Lediglich ein leichtes Zusammenzucken beim ersten Kontakt mit der Schneide des Messers wurde beobachtet, jedoch keine Versuche, den Hals wegzuziehen oder die Beine zu bewegen.

Dabei ist zu beachten, dass Reaktionen in den verwendeten Fixierungseinrichtungen (Strecken des Halses, Unterstützung des Bauches) häufig schwer zu erkennen sind. Beim Setzen von Entbluteschnitten an frei stehenden erwachsenen Rindern (Videoaufzeichnungen von Schlachtungen bei Rindern im Libanon und Wasserbüffeln in Indonesien) sieht man meistens ein plötzliches Zusammenzucken beim Entbluteschnitt gefolgt von einem Ausweichschritt und Fluchtverhalten als Reaktionen auf den Schnitt.

Viele Erfahrungsberichte schildern Abwehrreaktionen während des Schnitts. Hierbei wird zwar häufig nicht differenziert, ob es sich um Folgen des ersten Schnitts oder zusätzlicher Schnitte handelt. Selbst wenn der erste Schnitt keine oder wenig Reaktionen auslöst, sind dann aber diejenigen Umstände tierschutzrelevant, die vermehrtes Nachschneiden bedingen und somit die Entstehung von Angst, Schmerzen und Leiden begünstigen.

Schwierigkeiten, den Schnitt korrekt durchzuführen, entstehen beispielsweise bei großen schweren Tieren mit großem Halsquerschnitt oder bei aufgeregten Tieren, die starke Abwehrbewegungen zeigen. In der Regel sind beim Rind mehrfache Wechsel der Schnittrichtung notwendig. Bei zwei Wechseln der Schnittrichtung sind Berührungen der bereits bestehenden Wundflächen mit der Klinge nicht zu vermeiden.

Wird der Schnitt nicht nur durch die Weichteile des Halses bis auf die Muskulatur der Wirbelsäule geführt, sondern bis auf die Wirbelsäule, werden zum einen mehr potenziell schmerzempfindliche Gewebe durchtrennt und zudem entsteht eine größere Wunde. Zum anderen kann davon ausgegangen werden, dass die Manipulation am Genick sowie das Kratzen des Messers auf dem Knochen vom Tier als schmerzhaft empfunden wird.

Zusätzlich besteht die Möglichkeit, dass der Nervus phrenicus durchtrennt wird, der das Zwerchfell für die Atmung innerviert, so dass der dadurch bedingte Ausfall der Atmung – vergleichbar einer Atemlähme – für das Tier mit großem Stress und Erstickungsängsten verbunden sein kann.

Bei Schafen wird weiterhin davon berichtet, dass die Bewollung den Schnitt behindert, was wiederum ein Scheiteln der Wolle und damit eine zusätzliche Manipulation vor dem Schnitt erfordert. Außerdem kommt es durch die große Verschieblichkeit der Halshaut häufig dazu, dass der Hautschnitt nicht in einem Zuge zur Eröffnung beider Halsschlagadern führt und mehrere Schnitte notwendig sind.

Während Reaktionen unmittelbar auf den Schnitt infolge einer schmerzbedingten Starre kaschiert sein können, erhoben bei koscheren Schlachtungen von Masthähnchen lediglich bei vier Prozent der Tiere geringgradige Bewegungen als Reaktion auf den Schnitt – können andererseits auch Reaktionen nach dem Schnitt noch Hinweise auf mögliche Schmerzen beim Schnitt geben.

Auch unter vorbildlichen Bedingungen und bei Berücksichtigung von möglichen Einflüssen auf unbewusste Bewegungen können strampelnde Bewegungen von Schafen nach dem Schnitt ohne vorherige Betäubung als Folge von unangenehmen Erfahrungen während des Schnittes interpretiert werden. Hierbei ist zu bedenken, dass neben den schmerzhaften Einflüssen an der Wunde auch das Absinken des Blutdrucks mit sehr unangenehmen Empfindungen verbunden sein kann. Auch Gregory berichtet, dass es typisch zu sein scheint, dass Rinder nach dem Schnitt im Bereich der Flanken zu zittern beginnen. Nach Zimmermann haben neurophysiologische Untersuchungen gezeigt, dass alle traumatischen Reize innerhalb von weniger als einer Sekunde zur Erregung von Nozizeptoren führen.

Ein scharfes Messer bewirkt also möglicherweise, dass weniger Schmerzrezeptoren aktiviert werden als bei Verwendung eines stumpfen Messers. Ein Schnitt, der so groß ist, dass die Tiere schnell durch Blutentzug sterben, führt aber in jedem Fall zu einer ausgedehnten Aktivierung des protektiven Systems, das dem Gehirn einen Gewebeschaden meldet und dem Tier somit Schmerzen zufügt. Als Konsequenz daraus muss gefolgert werden, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Tiere während des Halsschnittes ohne vorherige Betäubung starke Schmerzen empfinden können.

Angst, Leiden und Schmerzen während des Ausblutens des unbetäubten Tieres

Eine Aussage darüber, inwieweit und wie lange Angst und Leiden nach dem Entbluteschnitt auftreten können, ist schwierig, da sich hierbei Einflüsse der Ruhigstellung, des Entbluteschnittes und der schwindenden Wahrnehmungsfähigkeit sowie die anatomischen und physiologischen Eigenschaften des Tieres überlagern. Angst und Leiden nach dem Entbluteschnitt können hervorgerufen werden durch

  • das Bedürfnis, eine normale Körperhaltung einzunehmen bzw. sich aus der Zwangshaltung zu befreien,
  • das Bedürfnis zu flüchten,
  • die Isolation von der Gruppe,
  • Unwohlsein infolge Sauerstoffmangels (Schwindel, Übelkeit) und
  • Erstickungsangst, zu der es mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt, wenn sich Blut oder Mageninhalt im kehlkopfseitigen Stumpf der Trachea stauen.

Treten Erstickungsängste auf, sind diese als erhebliche Leiden einzustufen. Nach betäubungslosen Schlachtungen von Rindern sind die Katecholamine im Blut im Vergleich zu Schlachtungen mit Bolzenschussbetäubung vor oder nach dem Schnitt erhöht. Durch einen Bolzenschuss nach dem Schnitt wird offenbar die Ausschüttung der Katecholamine unterbunden, die als Reaktion auf die Hypoxie und Hypovolämie ausgeschüttet werden können, solange das Gehirn noch funktionsfähig ist.

Schmerzen können nachgewiesenermaßen durch Berührung oder Dehnung der Wundränder auftreten, wenn die Wunde nicht während der Entblutung offen gehalten wird. Grandin und Regenstein berichten von deutlichen Reaktionen der Tiere aufgrund von Schmerzen durch Irritationen der Wundränder. Dadurch ausgelöste Abwehrbewegungen können den Blutfluss verringern und damit den Zeitpunkt bis zum Verlust der Wahrnehmungsfähigkeit verlängern.

Neben der Berührung der Wundränder kann es während der Ausblutung beim betäubungslosen Schlachten zu erheblichen Leiden und Schmerzen durch die Reizwirkung von Blut und Mageninhalt auf den kehlkopfseitigen Teil der Trachea oder Aspiration in die Bronchien kommen. Insbesondere bei Rindern, die in Rückenlage ausbluten, bilden sich auf dem der Wirbelsäule zugewandten Teil der Wunde Blutseen evtl. durchmischt mit Mageninhalt.

Diese Flüssigkeit kann so bei der Inspiration von der geöffneten Trachea angesogen werden und Erstickungsgefühle auslösen. Zwar sind nach Gregory die durchtrennten Nerven vier Sekunden nach der Durchtrennung nicht mehr in der Lage, Reize in Richtung auf das Gehirn weiterzuleiten, so auch der Nervus vagus, der dicht entlang der Trachea verläuft, so dass ein Teil der sensiblen Verbindung zwischen Bronchien und Gehirn unterbrochen wird. Es ist jedoch anzunehmen, dass es auch darüber hinaus noch sensible Verbindungen zum intakten Rückenmark und damit zum Gehirn gibt.

Unbeeinträchtigt ist die Sensibilität des Kehlkopfes, der häufig von den Blutstrahlen aus den Arteriae carotidae getroffen wird, bei Kontakt mit Flüssigkeiten gereizt wird und reflektorisch ein Erstickungsgefühl hervorrufen kann. Eine Reizung von Wundrändern und Kehlkopf durch Blutstrahlen, die aus den Halsschlagadern austreten, ist sowohl bei Rindern als auch bei Schafen möglich.

Mögliche Ursachen für Angst, Schmerzen und Leiden bei der Ausblutung während der Zeitspanne der erhaltenen Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit sind Fluchtintentionen, Übelkeit bei abfallendem Blutdruck, mechanische Einflüsse auf die Wunde, Reizwirkungen von Blut und Mageninhalt, auch auf den Kehlkopf, sowie in Rückenlage Aspiration von Blut und Mageninhalt.

Zeitspanne bis zum Erlöschen der Empfindungs – und Wahrnehmungsfähigkeit

Um den Schweregrad der genannten Belastungen beurteilen zu können, ist es wichtig abzuschätzen, wie lange sie bestehen. Hier gibt es tierartliche, individuelle aber auch durch Prozessfaktoren beeinflusste Unterschiede. Während der Zeitspanne bis zum Verlust der Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit wurden sowohl unter optimalen als auch unter suboptimalen Bedingungen bei Rindern und Schafen folgende Reaktionen beschrieben und von den Autoren selbst beobachtet:

• spontane Augenbewegungen,
• anhaltende Atmung bis hin zu vertiefter Atmung,
• Aufreißen der Augen,
• Zittern,
• Bewegungen des Halses,
• strampelnde bis koordinierte Bewegungen der Gliedmaßen und
• Aufstehversuche.

Nach dem betäubungslosen Schlachten im Stehen kollabieren ruhige Rinder bei korrekter Ausführung des Halsschnitts in der Regel innerhalb von 10 bis 15 Sekunden. Sie können jedoch noch bis zu 47 Sekunden lang Aufstehversuche unternehmen. Bei Rindern bestehen zudem große individuelle Unterschiede in der Zeitspanne bis zum Bewusstseinsverlust.

Es kann bis über eine Minute dauern. Weiterhin besteht die Gefahr, dass sich – aufgrund der sehr guten Gerinnungsfähigkeit des Blutes und der großen Elastizität der Gefäße – die Hauptschlagadern durch Blutgerinnsel und Veränderungen der Arterienwände verschließen, so dass im Einzelfall Aufstehversuche noch für länger als sechs Minuten zu beobachten waren. Schafe verlieren innerhalb von zwei bis 15 Sekunden das Bewusstsein, wenn beide Hals-schlagadern (Aa. carotidae) durchschnitten werden.

Allerdings sind alle diese Untersuchungen an relativ geringen Tierzahlen vorgenommen worden. Erste Praxisuntersuchungen an größeren Tierzahlen belegen, dass auch beim Schaf verzögerte Ausblutung und eine verlängerte Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit bis zu zwei Minuten möglich sind. Eine mögliche Erklärung hierfür liefert eine ältere Untersuchung an Schafen mit abgeklemmten Carotiden, aus der hervorgeht, dass nicht nur bei Rindern, sondern auch bei Schafen eine alternative Blutversorgung des Gehirns über die Vertebralarterien möglich ist.

Masthähnchen, die dem Shochet nach dem Schnitt aus der Hand genommen und auf den Boden gesetzt wurden, verloren in Untersuchungen von Barnett erst 12 bis 15 (max. 26) Sekunden nach dem Halsschnitt ihre Standfähigkeit, ein einfaches klinisch erkennbares Symptom, was auf zeitgleich schwindende Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit hinweist.

Dynamik der Ausblutung

Es wird deutlich, welche immense Bedeutung hinsichtlich der Zeitspanne bis zum Verlust der Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit der Dynamik des Ausblutevorgangs und möglichen Einflussfaktoren zukommt. Neben den Faktoren, die die Thrombenbildung beeinflussen können (Dehnung der Blutgefäße während des Schnittes, Ausmaß der Verletzung der Gefäßwände, Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit des Blutes und Gerinnungsfähigkeit des Blutes) nennt Gregory in einer Übersicht

  • die Art und Anzahl der durchtrennten Gefäße (eine oder zwei Halsschlagadern, herznahe Gefäße),
  • die Größe und Durchgängigkeit der Schnittwunde,
  • die Position des Tierkörpers (hängend/liegend),
  • den Kontraktionszustand der Kapillaren (geweitet/verengt),
  • den Kontraktionszustand der umgebenden Muskeln (Druck auf die Kapillaren und Gefäße) sowie
  • Bewegungen des Tierkörpers (hemmen oder fördern den Blutstrom zur Stichwunde).

Diese Bewegungen und Krämpfe während der Ausblutung sind vermehrt zu beobachten, je größer der Erregungszustand des Tieres vor der Schlachtung ist. Der Bedeutung der Herztätigkeit zum Zeitpunkt der Entblutung kommt im Rahmen aller dieser Faktoren nicht die Bedeutung zu, die ihr häufig beigemessen wird.

Ein Herzstillstand zu Beginn der Entblutung kann zwar die Entblutegeschwindigkeit zu Beginn der Entblutung schwächen. Im weiteren Verlauf der Entblutung sinkt jedoch die ausgestoßene Blutmenge des Herzens, weil der Blutdruck sinkt und damit auch der für das Herzminutenvolumen wichtige initiale Füllungsdruck der Herzkammern.

Auch bei einem infolge Herzdurchströmung ausgelösten Herzstillstand gibt es keine negativen Auswirkungen auf das Ausbluteergebnis. Velarde et al. fanden bei Schlachtlämmern eine bessere Ausblutung nach Elektrobetäubung (nur Kopfdurchströmung) als nach betäubungsloser Schlachtung und führten dies auf die Muskelkontraktionen infolge der elektrischen Betäubung zurück, welche das Blut aus der Muskulatur in Richtung auf die großen Gefäße im Brust- und Bauchraum drücken.

Anil et al. untersuchten die Effektivität der Ausblutung bei Schafen nach Elektrobetäubung, Bolzenschussbetäubung und betäubungsloser Schlachtung sowie bei Rindern nach Bolzenschussbetäubung und betäubungsloser Schlachtung und fanden keine Unterschiede. Sie schlussfolgerten, dass die Effektivität der Entblutung weder infolge der Betäubung vermindert noch infolge der betäubungslosen Schlachtung erhöht ist.

Gregory et al. beleuchten die Ursachen für einen verlangsamten Blutfluss nach dem Schnitt näher und kommen zu dem Schluss, dass sich bei einem Teil der Rinder (seltener bei Schafen) an der Schnittstelle der Halsarterien das ausströmende Blut sofort in das Bindegewebe einlagert, das die Arterie umgibt, so dass es zu einer deutlichen Aufblähung des Gefäßendes mit Einengung des Gefäßdurchmessers durch Druck von außen kommt. Dieses als „Ballooning“ bezeichnete Phänomen kann sowohl nach Betäubung als auch bei betäubungsloser Schlachtung festgestellt werden. Untersuchungen zur Häufigkeit dieses Phänomens werden derzeit durchgeführt.

Einen weiteren in der Diskussion um die Ausblutungsdynamik selten erwähnten Aspekt beschreibt Gregory. Er nennt mögliche Auswirkungen der Durchtrennung des Nervus vagus, der neben der Luftröhre verläuft, auf die Effektivität der Entblutung und den Restblutgehalt im Schlachtkörper. Es ist bekannt, dass die Durchtrennung des Nervus vagus die Blutverteilung in den Organen beeinflusst und bei Blutungen sowohl einen Blutdruckabfall als auch ein reduziertes Herzminutenvolumen bewirkt.

Die Effektivität und die Geschwindigkeit der Ausblutung sind von vielen, z.T. noch wenig erforschten Faktoren abhängig, die sich wiederum auf die Zeitspanne bis zum endgültigen Verlust der Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit auswirken. Es muss davon ausgegangen werden, dass während dieser Zeit Manipulationen an der Wunde, die beispielsweise die Ausblutung verbessern sollen, als schmerzhaft empfunden werden können.

Ergebnisse zusammengefasst :

Angst und damit verbundenes ängstliches Verhalten sind individuell und genetisch bedingt unterschiedlich. Im Hinblick auf die Schlachtung bedeutet dies, dass eine ganze Bandbreite von Symptomen unter dem Komplex Angst einzuordnen ist – zwischen offensichtlicher Unruhe und Fluchtversuchen bei weit aufgerissenen Augen einerseits und einem erstarrten Tier mit leicht bebenden Nüstern, das sich evtl. häufig über die Lippen leckt, andererseits.

Bedeutsam sind Angst und Erregung auch im Hinblick auf die Wirksamkeit von Betäubungsmethoden und die Effektivität der Entblutung. Schmerz- und Stressreaktionen, z.B. im Zusammenhang mit der Schlachtung sind sehr variabel je nach individuellen und genetischen Prädispositionen. Schmerzäußerungen sind abhängig von der Stärke und Art des Schmerzes und können sehr unspezifisch sein, z.B. Schwanzwedeln oder Lecken. Während der betäubungslosen Schlachtung können Schmerzäußerungen maskiert sein, und zwar einerseits infolge von Bewegungseinschränkung, andererseits auch durch Lähmungen des Tieres infolge Durchtrennung des Rückenmarks. Im Hinblick auf die Beurteilung der Schmerzen während der (betäubungslosen) Schlachtung bedeutet dies:

Auch wenn keine Symptome von Leiden und Schmerzen festgestellt werden können, heißt dies nicht, dass die Tiere nicht leiden oder Schmerzen empfinden. Das Ruhigstellen von Rindern und Schafen zur betäubungslosen Schlachtung ist aufgrund der notwendigen Streckung des Halses und des Offenhaltens der Wunde auch nach dem Schnitt anspruchsvoll. Fehler bei der Fixierung können eine verlängerte Zeit bis zum Verlust der Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit bedingen.

Neurophysiologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass ein Schnitt, der so groß ist, dass die Tiere schnell durch Blutentzug sterben, in jedem Fall zu einer ausgedehnten Aktivierung des protektiven Systems führt, das dem Gehirn einen Gewebeschaden meldet und dem Tier somit Schmerzen zufügt. Als Konsequenz daraus muss gefolgert werden, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Tiere während des Halsschnittes ohne vorherige Betäubung starke Schmerzen empfinden können.

Mögliche Ursachen für Angst, Schmerzen und Leiden bei der Ausblutung während der Zeitspanne der erhaltenen Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit sind Fluchtintentionen, Übelkeit bei abfallendem Blutdruck, mechanische Einflüsse auf die Wunde, Reizwirkungen von Blut und Mageninhalt, auch auf den Kehlkopf, sowie in Rückenlage Aspiration von Blut und Mageninhalt. Nach dem Schnitt ist die Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit nicht sofort erloschen. Die Zeitspanne kann dabei stark variieren. Bei Rindern und Schafen sind auch unter optimalen Bedingungen Zeitspannen von ein bis zwei Minuten möglich.

Effektivität und Geschwindigkeit der Ausblutung sind von vielen, z.T. noch wenig erforschten Faktoren abhängig, die sich wiederum auf die Zeitspanne bis zum endgültigen Verlust der Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit auswirken. Es muss davon ausgegangen werden, dass während dieser Zeit Manipulationen an der Wunde, die beispielsweise die Ausblutung verbessern sollen, als schmerzhaft empfunden werden können.

BTK-Forderung nötig und begründet

In der vorliegenden Literaturauswertung wurden Erkenntnisse zur Interpretation und Entstehung von Angst, Leiden und Schmerzen während der betäubungslosen Schlachtung zusammengestellt. Es wird deutlich, dass die betäubungslose Schlachtung sehr fehleranfällig ist, und dass die Voraussetzungen für eine optimale Durchführung unter Praxisbedingungen nur schwer einzuhalten sind.
Während der unmittelbaren Führung des Halsschnittes am unbetäubten Tier muss von der Entstehung erheblicher Schmerzen und Leiden ausgegangen werden.

Betrachtet man darüber hinaus den gesamten Vorgang von der Fixierung des Tieres bis zum endgültigen Verlust der Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit infolge der Ausblutung, ist aber selbst unter optimalen Bedingungen wissenschaftlich erwiesen, dass es bei dem überwiegenden Teil betäubungslos geschlachteter Tiere zu erheblichen Leiden und Schmerzen kommt. Aus Sicht des Tierschutzes ist die Änderung des § 4 a Tierschutzgesetzes – Streichung des Abs. 2 Nr. 2 – erforderlich und begründet, um den Tieren durch eine betäubungslose Schlachtung keine größeren Schmerzen oder Leiden zuzufügen als bei vorheriger Betäubung.

Anschrift der Verfasser:
Dr. Karen von Holleben, Dr. Martin von Wenzlawowicz,
Beratungs- und Schulungsinstitut für schonenden Umgang mit Zucht- und Schlachttieren (bsi),
Postfach 14 69, 21487 Schwarzenbek

Literatur:
Die Literaturliste kann in der BTK-Geschäftsstelle angefordert werden unter geschaeftsstelle@btk-bonn.de oder Fax (02 28) 7 25 46 66.

Gesetzesinitiative des Landes Hessen

Die öffentliche Diskussion über das betäubungslose Schlachten hat insbesondere durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem vergangenen November (s. DTBl. 4/2007 S. 440) an Umfang wie an Schärfe gewonnen. Gemäß § 4 a Abs. 2 Nr. 2 kann zurzeit das Schlachten ohne Betäubung genehmigt werden, wenn der Antragsteller nachweist, dass zwingende Vorschriften seiner Religionsgemeinschaft dies vorschreiben.

Das Land Hessen hat nun eine bereits 2005 gestartete Gesetzesinitiative zur Änderung des Tierschutzgesetzes erneut im Bundesrat eingebracht. Darin wird gefordert, dass der Antragsteller zusätzlich nachweisen muss, dass das betäubungslose Schlachten nicht erheblich mehr Schmerzen und Leiden verursacht als das Schlachten mit Betäubung.

Der Bundesrat hatte diesem Antrag bereits 2002 zugestimmt und die Bundesregierung aufgefordert, die erforderlichen Schritte zur Gesetzesänderung einzuleiten. Die Länderkammer schloss sich nun am 6. Juli 2007 erneut der hessischen Argumentation an und wiederholte ihre Aufforderung an die Bundesregierung, den Gesetzentwurf beim Bundestag einzubringen.

Hessen begründet seine Initiative damit, dass der Tierschutz seit der Änderung von Artikel 20 a des Grundgesetzes Verfassungsrang geniest. Dies bedeute zwar keinen unbegrenzten Tierschutz, aber auch keine grundsätzliche Höherstellung der Religionsfreiheit. Aufgabe des Gesetzgebers sei es, zwischen den sich gegenüberstehenden Verfassungsgütern einen Ausgleich zu finden, der allen Belangen gerecht wird. Demnach sieht die hessische Gesetzesinitiative auch kein grundsätzliches Verbot betäubungsloser Schlachtungen vor, sondern fordert, dass die Anforderungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung höher sein müssen, als dies zurzeit der Fall ist.

Den Bedenken der Bundesregierung, der Gesetzentwurf stünde in verfassungsrechtlich bedenklichem Konflikt mit der Religionsfreiheit, halten seine Befürworter gegenüber, dass kein religiös begründetes Interesse bestünde, Tieren im Rahmen der Schlachtung zusätzliche erhebliche Schmerzen zuzufügen. Vom Antragsteller den Nachweis zu fordern, dass dies beim betäubungslosen Schlachten nicht der Fall ist, stünde deshalb nicht im Konflikt mit der Religionsfreiheit und würde lediglich dem Verfassungsgut des Tierschutzes gerecht.

Wer „schächtet“, der schächtet?

Mitnichten! Spätestens seit religiös begründete betäubungslose Schlachtungen in der öffentlichen Diskussion sind, hat sich der Begriff „Schächten“ für jede Form der betäubungslosen Schlachtung etabliert, bei Laien, bei Politikern (diesen Gruppen sei es nachgesehen) und leider auch in tierärztlichen Fachkreisen. Es scheint daher begründet, auf wesentliche Unterschiede in der Durchführung religiös begründeter betäubungsloser Schlachtungen hinzuweisen.

Neben anderen sind für unser politisches Umfeld bedeutsam: Schlachtungen nach mosaischem und muslimischem Ritus und nach dem Ritus der Sikhs. Die wichtigsten Merkmale der verschiedenen Formen dieser betäubungslosen Schlachtungen sind in der nachfolgenden Übersicht stichwortartig dargestellt. Sie sollen Hilfen geben zur sachlich begründeten Diskussion, die zielführend das betäubungslose Schlachten auch in Deutschland als nicht mehr zeitgemäß erkennen lassen.

Dr. Karl Fikuart, Vorsitzender im BTK-Ausschuss für Tierschutz

Die verschiedenen Formen des betäubungslosen Schlachtens aus religiösen Motiven :

Mosaischer Ritus:

Muslimischer Ritus:

Ritus der Sikhs: