Dr. Gunter Bleibohm: Der langsame Untergang der Freiheit (2)

Fortsetzung vom vergangenem Sonntag

Steuerungsobjekt Bevölkerung: Ausgewählte Gesichtspunkte aus wirtschaftlicher Sicht

Der schnellste Weg, den Menschen die Freiheit zu nehmen, sie in gewünschte Richtungen zu lenken, ist die Vermassung – es ist der nachhaltigste Weg! Dieser Weg wird weltweit mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit beschritten.

Zur Verdeutlichung: Im Jahr 1950 belief sich die Weltbevölkerung auf ca. 2,5 Milliarden Menschen, im Jahr 2016 – also kürzer als eine durchschnittliche menschliche Lebensspanne – nähert sich die Zahl bereits der Größe von 7,5 Milliarden Köpfen. Eine Verdreifachung in knapp 70 Jahren und das Bevölkerungswachstum setzt sich ungebremst weiter fort!

Das wirtschaftliche Potential, das sich hinter diesen deprimierenden Zahlen verbirgt, ist hingegen enorm. Zahlreichen global agierenden Unternehmen ist es inzwischen gelungen, das Verlangen nach ihren Produkten weltweit in das Wollen der Menschen einzupflanzen, mit der Folge, dass globale Abhängigkeitsstrukturen bestehen, die auch für einzelne Länderregierungen ihre Beherrschbarkeit verloren haben.

Ist das Individuum in der Masse einem Großsystem wie beispielsweise einer Telefongesellschaft, einer Versicherung, einer Bank usw. beigetreten oder benutzt die nahezu unerschöpflichen Angebote eines Internetkonzerns, dann ist diese Entscheidung seine letzte Handlung in selbstbestimmter Autonomie, solange es Mitglied dieses Systemkomplexes ist.

Diese Großsysteme degradieren den Anwender vom handelnden Subjekt zum akzeptierenden Objekt. Der Einfluss des Benutzers auf das System geht gegen Null, er ist ausgeliefert, er hat Handlungsfreiheit verloren, er hat die Entscheidungen des Systems im Grundsätzlichen hinzunehmen.

Je komplexer und umfangreicher die Massenwelt des Individuums wird, desto mehr ist es in derartige Systeme eingebunden und von ihnen abhängig. Seine Entscheidungen sind nicht mehr selbstbestimmt, sondern systemkonform und der einstmals freie Mensch ist zu einem verwalteten und unbedeutenden Partikel der Systemlandschaft mutiert. Aber er merkt es nicht, er fühlt es nicht, er hat keine Sensibilität für die Gefahr.

Im Gegenteil. Freudig preist er die Errungenschaften der modernen Welt, möchte nicht darauf verzichten, kann ohne Abhängigkeit nicht leben und ist gar für die Sklavenkette dankbar, die ihm kontinuierlich kürzer geschlossen wird. Denn sie bietet ihm größten Schutz, nämlich Schutz vor sich selbst, wäre er doch sonst auf die Jämmerlichkeit seines leeren Wesens und bedeutungslosen Daseins zurückgeworfen und er würde in der Welt stehen, wie der Nackte im Schneesturm. Aber wie erbärmlich muss ein Wesen nur sein, das freiwillig Freiheit gegen Sklaverei tauscht? Tiere muss man zur Gefangenschaft zwingen, nur der Mensch geht freiwillig in den Kerker der Abhängigkeit.

Zur Charakterisierung des neuen Typus des Menschen in der Massengesellschaft kommt ein weiterer entscheidender Punkt hinzu.

Die Masse ist das neue Ich des Massenmenschen. Sein individuelles Ich hat er aus seiner persönlichen Existenz herausverlagert und in ein allgemeines, aber anonymes Wollen, Handeln, Begehren und Wünschen transformiert. Insbesondere dienen als Kompass für die neue Ich-Positionierung die Konsumgewohnheiten und Denkweisen des aktuellen Zeitgeistes.

Die subjektive, aber originäre Empfindungs- und Gedankenwelt des Individuums hat der Massenmensch durch die schwammig-wolkenhafte Realität des kollektiven Ichs ersetzt. Seine individuell-subjektive Persönlichkeit wurde durch ein allgemeines Massen-Ich verdrängt. Der Massen-Mensch hat sich in der Lebensauffassung von seinem individuellen Sein hin zu einem kollektiven Seinsverständnis verändert, d.h., er ist von einem eigenständigen personalen Subjekt zum unbedeutenden Masseobjekt mutiert. Durch eigenes Verschulden hat er damit seine geistige Freiheit verspielt.

Unbewusst wurde sein Wollen zum Nutzen des Anbieters manipulativ in freiwilliges systemkonformes Agieren gelenkt. Sein Wollen deckt sich nun mit den wirtschaftlichen Zielen und den Zielvorstellungen des Großkonzerns. Der Anbieter wird für ihn fast Lebensbestandteil.

(Fortsetzung folgt …)

Dr. Gunter Bleibohm: Das staatliche Steuerungssystem

Um Vorgehensweise und Systematik politischer Steuerungssysteme grundlegend zu verdeutlichen, sei ein kleiner Exkurs erlaubt. Michel Foucault beschreibt in seinem Werk „Überwachen und Strafen – Die Geburt des Gefängnisses“ die perfide Methode des Panopticons, dessen Erfinder gegen Ende des 18. Jahrhunderts Jeremy Bentham war.

Sein Prinzip ist bekannt: an der Peripherie ein ringförmiges Gebäude; in der Mitte ein Turm, der von breiten Fenstern durchbrochen ist, welche sich nach der Innenseite des Ringes öffnen; das Ringgebäude ist in Zellen unterteilt, von denen jede durch die gesamte Tiefe des Gebäudes reicht; sie haben jeweils zwei Fenster, eines nach innen, das auf die Fenster des Turms gerichtet ist, und eines nach außen, so dass die Zelle auf beiden Seiten von Licht durchdrungen wird. Es genügt demnach, einen Aufseher im Turm aufzustellen und in jeder Zelle einen Irren, einen Kranken, einen Sträfling, einen Arbeiter oder einen Schüler unterzubringen. Vor dem Gegenlicht lassen sich vom Turm aus die kleinen Gefangenensilhouetten in den Zellen des Ringes genau ausnehmen. Jeder Käfig ist ein kleines Theater, in dem jeder Akteur allein ist, vollkommen individualisiert und ständig sichtbar. Die panoptische Anlage schafft Raumeinheiten, die es ermöglichen, ohne Unterlass zu sehen und zugleich zu erkennen. Das Prinzip des Kerkers wird umgekehrt, genauer gesagt: von seinen drei Funktionen – einsperren, verdunkeln und verbergen – wird nur die erste aufrechterhalten, die beiden anderen fallen weg. Das volle Licht und der Blick des Aufsehers erfassen besser als das Dunkel, das auch schützte. Die Sichtbarkeit ist eine Falle.

Daraus ergibt sich die Hauptwirkung des Panopticon: die Schaffung eines bewussten und permanenten Sichtbarkeitszustandes beim Gefangenen, der das automatische Funktionieren der Macht sicherstellt. Die Wirkung der Überwachung ist permanent, auch wenn ihre Durchführung sporadisch ist; die Perfektion der Macht vermag ihre tatsächliche Ausübung überflüssig zu machen; der architektonische Apparat ist eine Maschine, die ein Machtverhältnis schaffen und aufrechterhalten kann, welches vom Machtausübenden unabhängig ist; die Häftlinge sind Gefangene einer Machtsituation, die sie selber stützen. …

Zu diesem Zweck hat Bentham das Prinzip aufgestellt, dass die Macht sichtbar, aber uneinsehbar sein muss; sichtbar, indem der Häftling ständig die hohe Silhouette des Turms vor Augen hat, von dem aus er bespäht wird; uneinsehbar, sofern der Häftling niemals wissen darf, ob er gerade überwacht wird; aber er muss sicher sein, dass er jederzeit überwacht werden kann. … Diese Anlage ist deswegen so bedeutend, weil sie die Macht automatisiert und ent-individualisiert.“

Dr. Gunter Bleibohm: Konturen einer Ethik für freie Geister (2)

Grenzen der Erkenntnis

Alle folgenden Aussagen sind aus menschlicher Sicht, d.h. aus einem Denkvermögen, das auf dreidimensionale Strukturen ausgerichtet ist.

Bekanntermaßen gibt es Dimensionen im Universum der x-ten Art. Ob andere Aussagen getroffen würden, wenn sie für Menschen verstehbar wären, bleibt außer Acht.

Desgleichen sind alle Aussagen aus menschlicher Sicht, weil uns der Zugang zu anderen Lebensformen fehlt. Wir können sie beschreiben, ihre inneren Denk – und Kommunikationsstrukturen bleiben unzugänglich. Hieraus resultiert eine tiefe Einsamkeit des Individuums innerhalb der Gesamtheit aller Lebensformen und allen Lebens.

Grundfragen und Definitionen

Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?

Universum, Erde, Zeit und Kreatur sind kontingent, d.h. sie können sein, sie müssen nicht sein, sie könnten auch anders oder nicht sein, sie gehorchen keiner Notwendigkeit.

Das erkennbare Universum und damit alle Bestandteile in ihm unterliegen einem stetigen Wandel, permanenten Veränderungen, die dem Gesetz der Kausalität stringent folgen.

Der stetige Wandel hat seinen Anfangspunkt im ersten Impuls, den die Physik mit dem Urknall, die Religionen mit einem Gott beschreiben. Beide Setzungen kranken an dem Makel der Frage: „Was war hierfür die Ursache?“ Oder „Wer hat Gott geschaffen?“ Ignoramus, ignorabimus! Der auslösende Grund des Seins ist und bleibt unbekannt!

Absolute Bedeutungslosigkeit des Jetzt innerhalb der endlosen Zeit.

Das Sein gliedert sich in mineralische, kristalline Existenz und in belebte Strukturen. Die belebten Strukturen zerfallen in menschliche und nichtmenschliche Existenzen. Nichtmenschliche Existenzen umfassen pflanzliches und tierisches Leben. Jedes Leben wird von Leiden dominiert, das sich spätestens bei der Tragödie des Todes manifestiert. Aus dem Diktat der Geburt resultiert die Diktatur des Lebens.

Absolute Bedeutungslosigkeit des Individuums, da jede Kreatur ein unwesentliches Glied in einer endlosen biologischen Kette ist, Postulat der Sinnlosigkeit. Leidensfrei sind nur kristalline Strukturen.