Dr. Gunter Bleibohm:Der langsame Untergang der Freiheit (4)

Ausgewählte Gesichtspunkte aus politischer Sicht

Nach der Diktatur kam – Deutschland als Beispiel – die Demokratie. Der Demokratie folgte sehr schnell die demokratische Oligarchie, gekennzeichnet durch zunehmende Macht und wachsenden Einfluss von Interessengruppen wie Kirchen, Verbände verschiedenster Art, Medien und Wirtschaftsunternehmen.

Die Regierungen wurden teilweise Marionetten dieser Institutionen, die gewählten Vertreter wurden die bezahlten Akteure beschriebener Systemkomponenten. Lobbyisten beeinflussen Gesetze, Politiker nehmen ihr Regierungsamt als Sprungbrett, um in der Wirtschaft einen lukrativen Posten zu erlangen.

Die sich zunehmend etablierende demokratische Oligarchie führte schnell über die mehr und mehr abnehmende Einflussmöglichkeit des Individuums zu seiner Entmündigung und Bedeutungslosigkeit.

Mit Geld, Macht und Manipulation wurde das Recht durch diese Systemteile oftmals käuflich, große Institutionen wurden für das Individuum nahezu unangreifbar. Die Durchsetzung von Interessen wurde eine Funktion der Geldmittel, so dass die demokratische Oligarchie sich in eine „demokratisch-bürokratische Diktatur“ wandelte und weiter wandeln wird. Der Kreis hat sich unter dem Deckmantel des Wohlstandes geschlossen!

Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu:

Das allgemeine Stimmrecht gab der Masse nicht das Recht zu entscheiden, sondern die Entscheidung der einen oder anderen Elite gutzuheißen“, schreibt Ortega y Gasset und die Masse wird immer jemanden wählen, unausweichlich, der ihr ähnlich scheint, sie wählt immer den Schauspieler, der ihre Bauernposse am vortrefflichsten aufführt, jemanden, mit dem sie sich identifiziert, identifizieren kann. Und hier trifft der ahnungslose, gutgläubige Bürger auf einen veränderten Typ des Politikers.

Eine neuartige Spezies der Selbstversorger hat die politische Evolution hervorgebracht. Es ist die Spezies des Parteifunktionärs jeglicher Couleur, der mit diametralem Auseinanderdriften von Rede und Tat lebt.

Seine primäre Handlung ist der Aufbau einer Illusion, die ihrer Außenwelt vorgaukelt, er habe Interesse, ja sogar Empathie für die Belange der Mitmenschen. Dies ist die Voraussetzung, dass er sich über das Mittel der Wahltäuschung ins gelobte Schlaraffenland der Parteienoligarchie aufmachen kann. Dort angekommen, baut er hinter ihrer schützenden Illusionsmauer und verborgen im Kokon der Parteibeschlüsse an seinem eigentlichen Ziel – er wird Selbstversorger. Seine Aufgabe besteht ab sofort darin, sein Illusionsgebäude vor dem Einsturz zu bewahren, während hinter der Schutzmauer eine Profitmaximierung durch Ämterhäufung erfolgt, die ihn künftig als Fettauge auf der mageren Suppe des Volkes schwimmen lässt.

Es ist diese Unterspezies der menschlichen Rasse, welche die Demokratie zu einer Lehre vom Absurden, vom Falschen, zu einer Lehre der allgemeinen staatlichen Lüge verkümmern lässt, es ist gerade diese Spezies, die eine Vermassung und Entrechtung des Bürgers zur leichteren Regierbarkeit anstrebt, es ist die Spezies, welcher ein freier Geist als Todfeind gilt.

Dr. Gunter Bleibohm: Der langsame Untergang der Freiheit (3)

Ausgewählte Gesichtspunkte aus religiöser Sicht

Eine tragende Säule im Staatsgefüge sind Religionsgemeinschaften und eine wachsende Zahl esoterischer Splittergruppen. Jede Gruppe verkündet mit tiefster Inbrunst im Besitz der absoluten Wahrheitserkenntnis allen Seins zu sein, so dass auf der irrationalen Glaubensebene der Menschenmassen ein unüberschaubares Konglomerat von Gedankenmanipulateuren und Gehirnwäschern zu finden ist.

Ein absinkendes allgemeines Bildungsniveau der weltweiten Menschenmassen – nicht zu verwechseln mit dem exponentiell ansteigenden Einzelwissen durch Technik und Wissenschaft – führt dazu, dass geistige Sinngebung über die gewöhnlichen Existenzbedürfnisse hinaus zunehmend bei Jenseitsversprechen jedweder Art gesucht werden. Johann Most, ehemaliger Reichstagsabgeordneter in Berlin, betonte in seiner „Gottespest“ die resultierende Verbindung von Kirche und Staat:

Je mehr der Mensch an Religion hängt, desto mehr glaubt er. Je mehr er glaubt, desto weniger weiß er. Je weniger er weiß, desto dümmer ist er. Je dümmer er ist, desto leichter kann er regiert werden! – Dieser Gedankengang war den Tyrannen aller Länder und Zeiten geläufig, daher standen sie auch stets mit den Pfaffen im Bunde.“

Überwiegend analphabetische Menschenmassen, per definitionem dem Wissen und der Rationalität weniger zugeneigt als irrealen Glaubenssätzen, die nicht hinterfragt werden müssen oder gar hinterfragt werden dürfen, kann der Staat somit indirekt über die klerikale Zwischenebene steuern. Beide Systeme arbeiten in der Führung synergistisch zusammen. Der Gottesstaat ist dabei das Idealbild dieses Synergismus.

Subtiler verläuft das gemeinsame Agieren von Staat und Kirchen hingegen in aufgeklärten Gesellschaften, wobei die Steuerungsmechanismen sich im Laufe der Jahrhunderte und parallel zu Aufklärung verfeinert haben, nichtsdestotrotz mit Jenseitsangst und Jenseitshoffnung den Gläubigen in die gewünschte Richtung zielorientiert führen. Aber: „Ob es den Metaphysikern und religiösen Idealisten, Philosophen, Politikern und Dichtern gefällt oder nicht: Die Gottesidee enthält die Abdankung der menschlichen Vernunft und Gerechtigkeit an sich, sie ist die entschiedenste Verneinung der menschlichen Freiheit und führt notwendigerweise zur Versklavung der Menschen in Theorie und Praxis.“

Diese Worte von Michael Bakunin werden täglich in ihrer Richtigkeit durch die Schrecken zahlloser Religionskriege bestätigt. Religion ist das Exempel für die Umsetzung von Sollen durch „freiwilliges“ Wollen mit den Mitteln einer diffusen Unsicherheit und Angsterzeugung im Individuum. Karl Marx fügt in seiner „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ deshalb hinzu: „Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt.“ und beginnt seinen Text mit den Worten: „Die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik.“ Sic est!

(Fortsetzung folgt ….)

 

Dr. Gunter Bleibohm: Der langsame Untergang der Freiheit (2)

Fortsetzung vom vergangenem Sonntag

Steuerungsobjekt Bevölkerung: Ausgewählte Gesichtspunkte aus wirtschaftlicher Sicht

Der schnellste Weg, den Menschen die Freiheit zu nehmen, sie in gewünschte Richtungen zu lenken, ist die Vermassung – es ist der nachhaltigste Weg! Dieser Weg wird weltweit mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit beschritten.

Zur Verdeutlichung: Im Jahr 1950 belief sich die Weltbevölkerung auf ca. 2,5 Milliarden Menschen, im Jahr 2016 – also kürzer als eine durchschnittliche menschliche Lebensspanne – nähert sich die Zahl bereits der Größe von 7,5 Milliarden Köpfen. Eine Verdreifachung in knapp 70 Jahren und das Bevölkerungswachstum setzt sich ungebremst weiter fort!

Das wirtschaftliche Potential, das sich hinter diesen deprimierenden Zahlen verbirgt, ist hingegen enorm. Zahlreichen global agierenden Unternehmen ist es inzwischen gelungen, das Verlangen nach ihren Produkten weltweit in das Wollen der Menschen einzupflanzen, mit der Folge, dass globale Abhängigkeitsstrukturen bestehen, die auch für einzelne Länderregierungen ihre Beherrschbarkeit verloren haben.

Ist das Individuum in der Masse einem Großsystem wie beispielsweise einer Telefongesellschaft, einer Versicherung, einer Bank usw. beigetreten oder benutzt die nahezu unerschöpflichen Angebote eines Internetkonzerns, dann ist diese Entscheidung seine letzte Handlung in selbstbestimmter Autonomie, solange es Mitglied dieses Systemkomplexes ist.

Diese Großsysteme degradieren den Anwender vom handelnden Subjekt zum akzeptierenden Objekt. Der Einfluss des Benutzers auf das System geht gegen Null, er ist ausgeliefert, er hat Handlungsfreiheit verloren, er hat die Entscheidungen des Systems im Grundsätzlichen hinzunehmen.

Je komplexer und umfangreicher die Massenwelt des Individuums wird, desto mehr ist es in derartige Systeme eingebunden und von ihnen abhängig. Seine Entscheidungen sind nicht mehr selbstbestimmt, sondern systemkonform und der einstmals freie Mensch ist zu einem verwalteten und unbedeutenden Partikel der Systemlandschaft mutiert. Aber er merkt es nicht, er fühlt es nicht, er hat keine Sensibilität für die Gefahr.

Im Gegenteil. Freudig preist er die Errungenschaften der modernen Welt, möchte nicht darauf verzichten, kann ohne Abhängigkeit nicht leben und ist gar für die Sklavenkette dankbar, die ihm kontinuierlich kürzer geschlossen wird. Denn sie bietet ihm größten Schutz, nämlich Schutz vor sich selbst, wäre er doch sonst auf die Jämmerlichkeit seines leeren Wesens und bedeutungslosen Daseins zurückgeworfen und er würde in der Welt stehen, wie der Nackte im Schneesturm. Aber wie erbärmlich muss ein Wesen nur sein, das freiwillig Freiheit gegen Sklaverei tauscht? Tiere muss man zur Gefangenschaft zwingen, nur der Mensch geht freiwillig in den Kerker der Abhängigkeit.

Zur Charakterisierung des neuen Typus des Menschen in der Massengesellschaft kommt ein weiterer entscheidender Punkt hinzu.

Die Masse ist das neue Ich des Massenmenschen. Sein individuelles Ich hat er aus seiner persönlichen Existenz herausverlagert und in ein allgemeines, aber anonymes Wollen, Handeln, Begehren und Wünschen transformiert. Insbesondere dienen als Kompass für die neue Ich-Positionierung die Konsumgewohnheiten und Denkweisen des aktuellen Zeitgeistes.

Die subjektive, aber originäre Empfindungs- und Gedankenwelt des Individuums hat der Massenmensch durch die schwammig-wolkenhafte Realität des kollektiven Ichs ersetzt. Seine individuell-subjektive Persönlichkeit wurde durch ein allgemeines Massen-Ich verdrängt. Der Massen-Mensch hat sich in der Lebensauffassung von seinem individuellen Sein hin zu einem kollektiven Seinsverständnis verändert, d.h., er ist von einem eigenständigen personalen Subjekt zum unbedeutenden Masseobjekt mutiert. Durch eigenes Verschulden hat er damit seine geistige Freiheit verspielt.

Unbewusst wurde sein Wollen zum Nutzen des Anbieters manipulativ in freiwilliges systemkonformes Agieren gelenkt. Sein Wollen deckt sich nun mit den wirtschaftlichen Zielen und den Zielvorstellungen des Großkonzerns. Der Anbieter wird für ihn fast Lebensbestandteil.

(Fortsetzung folgt …)