Fortsetzung vom vergangenen Sonntag
Überträgt man Methoden und Vorgehensweisen von Benthams Panopticon in die heutige Zeit, auf die aktuellen technischen Möglichkeiten, mutiert die Orwellsche Gedanken- und Sprachkontrolle selbst in „demokratischen“ Verhältnissen von einer einstmals unvorstellbaren Utopie zur freiheitsbeschränkenden Realität.
Die gewünschte Disziplinierung, Kontrolle und Überwachung der Bevölkerung, von Foucault treffend als Disziplinargesellschaft bezeichnet, verfestigt sich zunehmend durch die Methoden der elektronischen Überwachung.
Das Individuum hinterlässt inzwischen unbemerkt und unausweichlich eine elektronische Spur, die sein Tun und Handeln nahezu lückenlos aufzeichnet, einem elektronischen Fingerabdruck vergleichbar. Von der Benutzung des Telefons bis zum Einsatz der Kreditkarte, von Surfen im Internet bis zur Ortung seines Navigationssystems ist der gläserne Mensch elektronisch observiert, registriert und dokumentiert. Und wie in Benthams Panopticon sieht und spürt er die Beobachtung nicht.
Die Ermittlung und Speicherung des Datenprofils, heute noch durch erheblichen persönlichen Aufwand durch das Individuum vermeidbar, würde aber flächendeckend und unvermeidbar, wenn beispielsweise eines Tages Bargeld zugunsten von Kartenzahlungen entfällt und Kartenverwendung ein gesetzliches Muss wird.
Der Effekt zur Überwachung wäre vergleichbar mit dem – heute noch – utopischen Gedanken, jedem Säugling sofort nach seiner Geburt einen Chip zu implantieren, der eine allzeit ortbare Identifikationsnummer enthält. Speichert man hierzu noch das Genprofil des Neubürgers, ist die absolute Überwachung, Kontrolle und Observierung der Menschheit gelungen. Die Steuerung der Massen per Computer könnte Wirklichkeit werden und der Übergang vom freien Individuum zum steuerbaren Automatenmensch wäre gelungen.
Aber der Staat gibt sich mit lückenloser Datenerfassung seiner Bürger nicht zufrieden, denn auch er handelt nach dem Postulat: Wir müssen die Menschen so lenken, dass sie freiwillig und unbewusst das wollen, was sie zu unserer Zielerreichung tun sollen.
Denken, Sprechen und Schreiben muss somit synchron zur staatlich gewünschten Meinungs- und Denkdoktrin gesteuert und gelenkt werden.
„In gewisser Weise ließen sich diejenigen am leichtesten von der Parteidoktrin überzeugen, die ganz außerstande waren, sie zu verstehen. Diese Menschen konnte man leicht dazu bringen, die offenkundigsten Vergewaltigungen der Wirklichkeit hinzunehmen, da sie nie ganz die Ungeheuerlichkeit des von ihnen Geforderten begriffen und überhaupt nicht genügend an politischen Fragen interessiert waren, um zu merken, was gespielt wurde. Dank ihrer Unfähigkeit zu begreifen, blieben sie ganz unbeschadet.“ vermerkte George Orwell in seinem Meisterwerk „1984“ und fährt fort: „Es geht hier nicht um die Moral der Massen, deren Einstellung unwichtig ist, solange sie fest bei der Arbeit gehalten werden, sondern um die Moral der Partei selbst.“
Aber „1984“ ist inzwischen sowohl real als auch in seinen Vorhersagen Vergangenheit. „Neusprech“ hielt man einstmals für derart utopisch, dass nur ein müdes Lächeln im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts um die Lippen der damaligen Denkeliten spielte. Sie irrten fürchterlich. „Neusprech“ wurde eingeführt, das reale Neusprech übertrifft Orwells Phantasie um Potenzen. Aber die intellektuelle Versklavung der Menschheit war damit nicht beendet, sie ging und geht weiter, tiefer, radikaler, vernichtender.
Nach „Neusprech“ führte man „Neudenk“ ein, die politisch korrekte Denk- und Sprachform als Wirklichkeitskontrolle. Es ist die endgültige, die finale Gehirnwäsche der Menschheit, seine Degradierung auf Roboterniveau. „Neudenk“ tönt aus allen Lautsprechern, „Neudenk“ atmet aus jeder Zeitung, jeder Nachricht, jeder Partei, „Neudenk“ ist die Fahne, unter der sich die entwurzelten, verdummten Apparate-Massen versammeln, die intellektuellen Krüppel, die den staatlich beaufsichtigten Irrsinn für Wohltat halten und nicht erkennen, dass sie an dem Seil ihrer Naivität in Kürze aufgehängt werden.
Ihre Geistesfreiheit haben sie dann verloren, für immer. Sie spüren nicht den Abgrund, der sich vor ihren Füßen auftut, erkennen nicht, dass diese Lenkung durch ganz spezielle Gesetze und Vorgaben geschieht, die auf den ersten Blick zum Nutzen des Bürgers sind, wie diverse Gesetze zur Terrorabwehr, die aber, ist der Nutzengrund irgendwann entfallen, beibehalten werden und nur noch zur Freiheitseinschränkung herangezogen werden. Als Beispiel möge der Werdegang zur Aufhebung des Bankgeheimnisses dienen.
Derartige Gesetze sind Täuschungs- oder Simulationsgesetze, Gesetze, deren eigentliche Absicht hinter einem Vorwand zunächst verborgen bleibt.
Die Disziplinierung der Bevölkerung erreicht organisatorisch aber erst dann ihr Optimum, wenn die Bürger sich gegenseitig kontrollieren, maßregeln und überwachen, wenn auch die Bürger zur Gedankenpolizei werden. Soziale Netzwerke und allgegenwärtige Internetinformationen vollziehen die ersten Schritte in diese Richtung, werden als moderne Pranger und gesellschaftliche Ausgrenzungsmechanismen eingesetzt und nur dann empört gebrandmarkt, wenn die Aussagen konträr zur Staatsdoktrin verlaufen.
Es wird ein Diffamierungstypus mit Gesetzesunterstützung immer stärker staatlich positioniert, ein linientreuer Beobachtungsbürger, der durch Diffamierung und Ausgrenzung Andersdenkender das Wohlwollen der Regierungskaste und der Staatsmedien erfährt. Es ist der Menschenschlag, auf dessen kriecherische Anpassungsmentalität alle totalitären Regime zurückgriffen. Diese Menschen waren und sind die Totengräber von Redlichkeit und Freiheit.
Beliebtes Vehikel des Diffamierungsbürgers sind exemplarisch alle Anweisungen und Gesetze im entferntesten Umkreis einer potentiellen Diskriminierung.
Fazit:
Durch die extensive Datenerfassung, durch zahlreiche Simulationsgesetze und verbreitete Diffamierungsmentalität ist die Herrschaft der „demokratisch-bürokratischen Diktatur“ inzwischen stabil und gefestigt, so dass diese Kaste befriedigt konstatieren kann:
Sie wollen das, was sie sollen und wir wollen, dass sie es weiterhin zu unserem Nutzen tun sollen.