Ich habe mich niemals darum bemüht, den Leuten zu gefallen. Denn was ihnen gefiel, habe ich nicht gelernt und was ich mir angeeignet habe, das lag weitab vom Begreifen der Leute. (Epikur, Brief an einen unbekannten Adressaten)
Vorbemerkung:
Dieser Text folgt in seinem Aufbau dem „Katechismus“ von Epikur. Ich verspreche mir von dieser Struktur ein Mehrfaches. Zum einen ermöglicht es, die Kernthesen des Gedankengebäudes schnell zu repetieren, zu ruminieren und damit im täglichen Leben präsent zu halten; insofern greife ich die Tradition der praktischen Philosophie als Vademecum des Alltags wieder auf. Zum anderen vermeidet diese Art der Darstellung, in Erklärungen und Wortdrechseleien zu verflachen. Der völlige Verzicht auf füllende Erklärungen behindert gewollt ein schnelles, ein oberflächliches Lesen und fordert eine breite Wissensbasis als Voraussetzung.
Die Möglichkeit, die angesprochenen Gedanken durch eigene Erkenntnisse zu erweitern, zu vervollkommnen ist damit erhalten, gar vergrößert; der Text mag somit nur als Wegweiser verstanden sein. Mögen andere mit größerer Fähigkeit und Kraft die Thesen ergänzen, verbessern, verkünden – ich habe sie letztlich für mich geschrieben. Die Sentenzen möchte ich auch als offenes, als lebendes Traktat verstanden wissen, als eine Schrift, die sich im Zeitablauf bei veränderter Sichtweise weiterentwickeln kann und verändern soll.
Nahezu alle Gedanken sind an der einen oder anderen Stelle in der Philosophiegeschichte partiell gedacht worden; das möchte ich in aller Redlichkeit, aber auch Dankbarkeit vermerken. Ich aber habe versucht, diese Überlegungen in ein neues, stringentes Gebäude einzufügen, das dem bisherigen Denken eine andere Sichtweise, eine andere Relation, eine andere Wahrheit entgegenstellt.
Die Grenzen der vermeintlichen Bedeutung von Leben schlechthin sollen vor einem absoluten Hintergrund beleuchtet werden. Die Gleichwertigkeit jeglichen Lebens wird postuliert, der Mensch vom Sockel der Einmaligkeit gestürzt, die Tierwelt als ebenbürtiger Bestandteil in eine umfassende Ethik der Leidensminimierung einbezogen.
Diese universelle Sichtweise fordert aber tiefe Selbsterkenntnis – ja sogar tiefe Demut – und kann vermutlich nur von denen verstanden werden, die vergleichbare Gedanken selbst bereits geahnt und gefühlt haben.
Ich wende mich also nur an die Wenigsten, an die Minorität der Erkenntniswilligen, an den Orden der ungebundenen Geister, an diejenigen, die der menschlichen Hybris abgeschworen haben.
Abseits des leeren Zeitgeschwätzes von Politik, Wirtschaft und täglichen Konflikten wollte ich eine Ruhezone, ein Reservat, vielleicht sogar eine Fluchtburg schaffen, wo man ohne mystische Gaukeleien, sondern allein mit Logik, Vernunft und Mut zur Erkenntnis dem eisigen Wind des Seins und seiner Belanglosigkeit trotzen kann.
Die Freiheit dieses Weges ist ungeheuer, ebenso die Einsamkeit. Aber was liegt an einer Gesellschaft, deren Sprache ich nicht spreche, was liegt an Begleitern, die mich nicht verstehen können oder nicht verstehen wollen.
(Fortsetzung am nächsten Sonntag ….. )