Das ist doch wohl immer noch allein meine Entscheidung!

Von Tierrechtler Armin Rohm

Man könnte darauf wetten und würde die Wette fast immer gewinnen. Wenn in zufällig gemischter Runde das Thema ‚Tiere essen‘ diskutiert wird, kommt irgendwann der magische Moment, in dem ein Omnivorer (manchmal auch ein Vegetarier) klarstellt: „Letztlich muss jeder selbst entscheiden, was er isst.“ In der Regel erntet der Sprecher breite Zustimmung für diese Aussage. Gleichzeitig wird die Diskussion mit diesem Statement de facto für beendet erklärt. Wer jetzt noch weiter für seine Meinung wirbt, gilt als unhöflich, intolerant, missionarisch.

Ich habe dieser Aussage selbst mehr als 50 Jahre meines Lebens reflexartig zugestimmt, auch in der Zeit, in der ich schon lange kein Fleisch mehr gegessen habe und mich zumindest vegetarisch ernährte. Vermutlich habe ich den Satz auch selbst gelegentlich ausgesprochen. Es hört sich einfach sehr tolerant und wertschätzend an, wenn mir jemand signalisiert, dass es für ihn völlig in Ordnung ist, wenn ich für mich eine Entscheidung treffe, die er für sich anders treffen würde.

Ich fühle mich in meiner Individualität, in meinen persönlichen Ansichten und in meiner Handlungsfreiheit respektiert. Dadurch bin ich auch geneigt, umgekehrt meinem Gegenüber diese Entscheidungsfreiheit ebenso zuzugestehen, was wiederum ein offenes Gesprächsklima und die gegenseitige Akzeptanz fördert. Es ist schließlich meine ganz persönliche Entscheidung, welches Leben ich führe, welche Prioritäten ich setze und wie ich mich dabei verhalte. Wie ich mich ernähre, geht schon gar niemand etwas an! Mir persönlich missfällt es fast immer, wenn sich jemand in mein Leben einmischt und mich belehren möchte, was für mich das Beste ist und ich seines Erachtens deshalb zu tun und zu lassen habe. Dieser Mensch braucht dann schon sehr überzeugende Gründe, um mein Gehör zu finden.

Wenn wir an dieser Stelle allerdings mal ganz bewusst unseren rationalen Verstand und unser Moralempfinden aktivieren und uns erlauben, die ‚Tatsache‘, dass Essen eine persönliche Entscheidung ist, einfach mal grundsätzlich anzuzweifeln, dann bemerken wir rasch, dass unser ‚Wissen‘ erstaunlich wenig Substanz hat. Wir erkennen, dass unsere bisherige ‚klare Meinung‘ nicht das Ergebnis einer sorgfältigen Prüfung der aktuell verfügbaren Fakten darstellt, sondern viel eher eine Ansammlung erlernter Kommentare unseres Autopiloten – hundertmal gehört, nachgeplappert, vom Umfeld bestätigt bekommen und irgendwann mit dem Vermerk „wahr“ im Gedächtnis abgelegt.

Zunächst sollten wir uns vor Augen halten: Wenn ich behaupte, dass die Wahl zwischen omnivorer Ernährung und veganer Ernährung jedem selbst überlassen werden sollte, dann unterstelle ich dabei unausgesprochen, dass es sich dabei um zwei moralisch weitgehend gleichwertige Alternativen handelt. Dies ist aber ganz und gar nicht der Fall. Wer Fleisch isst, verursacht unermessliches Leid und verantwortet immer die Ermordung unschuldiger Geschöpfe, während vegane Ernährung Leid, wo immer möglich, vermeidet. Die omnivore Ernährung erfordert also Opfer, und spätestens dann endet die persönliche Entscheidungsfreiheit. Wenn eine persönliche Präferenz, in diesem Fall meine kulinarischen Vorlieben, dazu führt, dass ein anderer dafür sterben muss, dann verletze ich automatisch in gravierender Weise andere Interessen, die bedeutend genug sind, um berücksichtigt und verteidigt zu werden.

Bei anderen, aus moralischer Sicht, ähnlich gelagerten Themen herrscht innerhalb unserer Gesellschaft interessanter Weise breiter Konsens, wie weit die Freiheit des Einzelnen geht, wo genau sie endet und was im Falle einer Grenzüberschreitung die Konsequenz sein soll. Wir sind uns beispielsweise weitgehend einig darüber, dass es die persönliche Entscheidung der Eltern ist, wie sie ihre Kinder erziehen. Es steht grundsätzlich niemandem zu, sich da offensiv einzumischen. In welchen Situationen aber ist es vielleicht doch erlaubt, vielleicht sogar nötig, sich einzumischen, wenn es Opfer gibt? (Vielleicht auch schon, wenn es Opfer geben könnte, zum Beispiel weil die Eltern selbst noch Kinder sind und mit dem Erziehungsauftrag überfordert wären.)

Wenn Eltern ihre Kinder verprügeln oder sonst wie misshandeln, dann bewertet unser kollektives gesellschaftliches Moralverständnis das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes höher als die erzieherische Freiheit der Eltern. Deshalb wurde die Prügelstrafe durch eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahr 2000 ersatzlos abgeschafft. §1631 BGB spricht den Kindern sogar ein ausdrückliches „Recht auf gewaltfreie Erziehung“ zu. In vielen Ländern dieser Welt gibt es die Prügelstrafe jedoch noch immer, und wir sind oftmals empört über deren Rückständigkeit und ihre antiquierte Haltung, Erziehung sei Privatsache und erlaube deshalb allen Ernstes auch körperliche Züchtigung.

Ein zweites Beispiel. Wie Ehepaare ihre Beziehung leben, ist ein sehr privates, intimes Thema. Es ist allein ihre Sache. Eine Einmischung Dritter ist auch hier nur in besonderen Situationen legitim, nämlich, wenn jemand Leid zugefügt wird – also erneut, wenn es Opfer gibt. Uns erscheint es heute selbstverständlich, dass Vergewaltigung in der Ehe ein Verbrechen darstellt. Wieso sollte die Tatsache, dass zwei Menschen miteinander verheiratet sind, eine derartig abscheuliche Gewalttat erlauben? Das Unrecht ist so offensichtlich, dass es uns erstaunt, dass Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 überhaupt ein Straftatbestand ist. Noch irritierender ist es, dass das Thema 25 Jahre immer wieder in unterschiedlichen Parlamenten diskutiert werden musste, bevor es endlich zu dieser Entscheidung kam.

Man könnte die Liste der Beispiele beliebig erweitern und würde immer zu dem Ergebnis kommen: „Sie können tun, was Sie wollen, solange dabei niemand in unangemessener Weise Schaden nimmt.“ Es ist allein Ihre Sache, ob Sie Alkohol trinken. Es ist sogar weitgehend Ihre Privatsache, ob Sie sich jeden Tag bis zum Vollrausch betrinken. Wenn Sie sich allerdings betrunken ans Steuer Ihres Wagens setzen, dann kommen die anderen ins Spiel, die ein Recht darauf haben, vor Ihnen beschützt zu werden.

Die Tiere sind keineswegs die einzigen Opfer omnivorer Ernährung. Letztlich sind auch unsere eigenen Kinder und Enkel Opfer, weil wir durch unser Verhalten ihre Lebensgrundlage in erheblichem Umfang zerstören. Fleischkonsum hat verheerende Folgen für unser gesamtes Ökosystem. Die Massentierhaltung ist der mit Abstand größte Verursacher von Treibhausgasen und damit in hohem Maße verantwortlich für den weltweiten Klimawandel. Auch die Tatsache, dass die Nutztiere der reichen Länder den größten Teil der Weltsoja- und Weltgetreidernte fressen, während täglich tausende Menschen auf diesem Planeten verhungern, sollte unsere Gewissheit erschüttern, dass jeder angeblich selbst wissen muss, was er isst und was nicht. Ja, es sollte eigentlich jeder informierte und verantwortungsvolle Mensch inzwischen wissen. Denen jedoch, die es nicht wissen oder nicht wissen wollen, sollten wir es unbedingt sagen. Wieder und wieder.

Armin Rohm, Tierrechtler

Armin Rohm: Der Mensch isst aus Gewohnheit Tier

Die meisten Menschen mögen Tiere. Sie vertreten die Auffassung, dass wir Verantwortung für das Wohl der Tiere tragen und ihnen nicht vorsätzlich vermeidbares Leid zufügen dürfen. Gleichzeitig pflegen sie oftmals Konsumgewohnheiten, die genau das erfordern, was sie eigentlich ablehnen, nämlich Tiere ihrer Freiheit zu berauben, sie auszubeuten und zu töten.

Wie bringen es Menschen fertig, immer wieder entgegen ihrer eigenen Werte zu handeln?

Der Vortrag von Armin Rohm beschreibt, wie wir unsere Wahrnehmung der Tierausbeutung durch den Menschen geschickt so verzerren, dass wir die Widersprüchlichkeit unseres Tuns meist gar nicht bemerken. Er beleuchtet, wie unsere Art und Weise zu denken und Entscheidungen zu treffen das Erkennen des Widerspruchs eher erschwert als begünstigt.

Armin Rohm bietet uns eine aufschlussreiche Vorgehensweise an, mit deren Hilfe wir einen ungetrübten Blick auf die Praxis der Tierausbeutung in unserer Gesellschaft und unsere eigene Rolle in diesem Prozess herstellen können. Dadurch werden reflektierte, verantwortliche Entscheidungen in Bezug auf unsere Verhaltensweisen möglich.

Nachfolgender Film wendet sich insbesondere an …

  • Menschen, die offen dafür sind, mehr über die eigenen Denk- und Verhaltensmuster zu erfahren, diese zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern.
  • Personen, die sich für das Mensch-Tier-Verhältnis in unserer Gesellschaft interessieren und den eigenen Standpunkt dazu klären möchten.
  • Menschen, die um die Zustände industrieller Tierhaltung wissen, diese ablehnen, aber selbst noch immer tierliche Produkte konsumieren (z.B. Vegetarier*innen).
  • Veganer*innen, die besser verstehen wollen, was so viele vermeintlich tierfreundliche Menschen daran hindert, sich für ein veganes Leben zu entscheiden.
  • Tierrechtsaktivist*innen, die nach hilfreichen Impulsen für ihre Überzeugungsarbeit suchen.

Du hast doch früher selbst Fleisch gegessen …..

Armin Rohm:
Du hast doch früher selbst Fleisch gegessen und Milch getrunken ….

Diese Reaktion erhalten Veganer regelmäßig, wenn sie versuchen, Fleischesser oder Vegetarier für das Grauen und Unrecht hinter ihren ‚Lebens‘-mitteln zu sensibilisieren oder sie auf die ökologischen Folgen ihres Tuns hinzuweisen. Jemand, der früher selbst Tierqualprodukte konsumiert hat, scheint keinerlei Recht zu haben, jetzt andere für genau dieses Verhalten zu kritisieren. „Du bist auch nicht als Veganer auf die Welt gekommen“, wird ihm trotzig entgegen geschleudert, falls er es doch versucht. Sollte er angesichts der eigenen Schuld, als ehemaliger Täter, den milliardenfachen Tiermord, der sich Tag für Tag auf der ganzen Welt ereignet und seine dramatischen Konsequenzen einfach hinnehmen und zu dem Thema für immer seine Klappe halten? Nein, sollte er nicht, denn er hat inzwischen eine wichtige Lektion gelernt und ein verhängnisvolles Verhalten abgelegt. Er hat ja vor der besagten eigenen Haustüre gekehrt – und zwar sehr gründlich. Warum sollte er sein Wissen, seine veränderte Sichtweise und seine Erfahrungen jetzt nicht mit anderen Menschen teilen?

Man stelle sich mal ernsthaft für einen Moment vor, was es in letzter Konsequenz bedeuten würde, wenn wir bei anderen ab sofort nur noch die Verhaltensweisen kritisieren dürften, die wir selbst niemals gezeigt haben.

Eltern könnten dann einen Großteil ihrer Erziehungsbemühungen augenblicklich einstellen, denn als Kind haben sie sicher auch eine Menge angestellt, ausprobiert und falsch gemacht. Vermutlich haben auch sie ihre eigenen Eltern belogen, die Schule geschwänzt, heimlich geraucht, Versprechen gegenüber Freunden gebrochen, Streiche gespielt, Schwächere schikaniert, mutwillig Sachen beschädigt und manches mehr.

Im Sport könnten künftig nur noch diejenigen als Trainer arbeiten, die den Sport selbst nie ausgeübt haben, denn nur so ist eine tadellose Vergangenheit möglich. Jeder, der z.B. früher mal selbst Fußball gespielt hat, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit schon hochkarätige Torchancen vergeben, Elfmeter verursacht, über den Ball getreten, den Schiedsrichter beleidigt, sich eigensinnig verdribbelt oder den Gegner brachial von den Beinen geholt und dafür die rote Karte gesehen.

Wir dürften niemanden mehr auf Gefahren hinweisen, denen wir selbst zum Opfer fielen und nicht mehr vor Fehlern warnen, die uns selbst schon unterlaufen sind.

Es ist also völlig klar: Wenn ich in meinem Leben ein Verhalten oder eine Meinung als falsch erkenne und mich daraufhin tatsächlich ändere, darf ich andere natürlich ermuntern, es mir gleich zu tun. Ob ich es auch tun sollte oder vielleicht sogar tun muss, ist eine ganz andere Frage, die nicht ganz so leicht zu beantworten ist, denn es gibt dafür kein Patentrezept. Ich selbst mache meine Entscheidung, ob ich ein Thema überhaupt anspreche, und falls ja, wie ich es anspreche, in erster Linie davon abhängig, welche konkreten Auswirkungen das Verhalten meines Gegenübers hat.

Schweigen kann immer dann eine gute Option sein, wenn meine Gegenüber mit seinem Verhalten niemand (außer vielleicht geringfügig sich selbst) schadet, mir selbst das Thema nicht besonders wichtig ist, oder ich in einer bestimmten Situation einfach nicht unhöflich sein möchte. Menschen sind verschieden, und das bereichert grundsätzlich unser Miteinander. Anstatt jede Kleinigkeit zu kritisieren, sollte ich mich manches Mal besser in Toleranz üben.

Geht es um ein Verhalten, von dem ich denke, dass der Person vielleicht nicht klar ist, wie dieses bei anderen Menschen ankommt, dann beschreibe ich das störende Verhalten und seine Wirkung speziell auf mich. Ich formuliere meine Rückmeldung in einer Weise, die deutlich macht, dass es um meine Wahnehmung, meine Interpretation und um mein Unbehagen geht. Mein Feedback sagt also mehr über mich als über den Adressaten aus.

Bei manchen Themen habe ich nicht nur das Recht, sondern die moralische Pflicht, andere mit der Problematik ihres Handelns zu konfrontieren. Wenn mein früheres Verhalten, das ich jetzt bei anderen beobachte, gewalttätig, zerstörerisch oder für andere gefährlich war, dann bin ich es nicht nur den potenziellen weiteren Opfern, sondern auch dem eigenen Gewissen schuldig, klar und deutlich Stellung zu beziehen. Dann sollte ich das Unrecht selbst dann ansprechen, wenn es mein Gegenüber am liebsten gar nicht hören will. Schweigen wäre in solch einer Situation kein Zeichen von Toleranz, sondern vielmehr Ausdruck von Feigheit oder Gleichgültigkeit. Wer Unrecht kommentarlos geschehen lässt, positioniert sich automatisch auf der Seite der Täter.

Allerdings sollte ich meine Rückmeldung in einer respektvollen Weise geben. Sie sollte angemessenen im Ton, in der richtigen Dosierung, in einem günstigen Moment und in einer geeigneten Umgebung erfolgen. Sie wird am ehesten Wirkung entfalten, wenn sie als Impuls, Anregung oder Bitte daher kommt, statt als Belehrung, Vorwurf, Forderung oder gar Beleidigung. Nicht die Person, sondern ihr spezifisches Verhalten sollte Gegenstand meiner Kritik sein.

Beim Thema ‚Tiere essen‘ besteht eine Besonderheit darin, dass dieses Verhalten von den dafür kritisierten Menschen selbst überhaupt nicht als gewalttätig oder gar verwerflich, sondern als völlig ‚normal‘ wahrgenommen wird. Sie sehen weder den Zusammenhang zwischen dem leckeren Stück Fleisch und dem entsetzlichen Leid, das seiner ‚Produktion‘ voraus ging, noch die katastrophalen ökologischen Folgen des Konsums tierlicher Produkte (bzw. wollen diese Verbindungen nicht sehen). Wenn sie dann zur Kenntnis nehmen müssen, dass es sich bei ‚ihrem‘ Steak in Wahrheit um den wenige Tage alte Leichnam eines brutal hingerichteten Tierkindes handelt, und sie durch ihre Kaufentscheidungen de facto dieses Gemetzel höchstpersönlich beauftragen, reagieren sie meist ziemlich verstört.

Aussagen wie „Die Tiere sind doch dazu da, dass wir sie essen“, „Das Tier ist doch eh tot, es hilft ihm ja nichts mehr, wenn ich es nicht esse“, „Wenn wir die Tiere nicht essen, werden sie eben nach China exportiert“, sind dann oft spontane, trotzige Statements von Menschen, mit denen man noch vor einigen Minuten zu anderen Themen ein durchaus intelligentes Gespräch führen konnte. Ihr Autopilot produziert jetzt permanent Pseudoargumente, um die Verbindung zur Wahrheit nicht herstellen zu müssen und ein plötzliches Erwachen aus einer langjährigen partiellen moralischen Anästhesie zu verhindern.

Die meisten Menschen, selbst die Mehrheit der Fleischesser, verfügen nämlich durchaus über ein solides Unrechtsempfinden und stimmen z.B. der Aussage zu, dass der Mensch Verantwortung für das Wohl der Tiere trägt und ihnen kein unnötiges Leid zufügen darf. Sie würden auch zustimmen, dass wir die Verpflichtung haben, mit Ressourcen sorgsam umzugehen und unseren Kindern einen bewohnbaren Planeten zu hinterlassen. Wer so denkt und gleichzeitig tierliche Produkte konsumiert, kann sein Verhalten mit halbwegs gutem Gewissen nur aufrechterhalten, wenn er sich von der eigenen Schuld und Verantwortung systematisch dissoziiert, erst mit haarsträubenden Argumenten und dann mit wütenden Gegenangriffen. Attacken wie „Du hast früher selbst Fleisch gegessen“, „Kehre vor deiner eigenen Türe“, „Du hast es gerade nötig“, verlagern den Fokus der Diskussion und ersparen den Angreifern schmerzhafte Erkenntnisse in Bezug auf den Widerspruch zwischen dem eigenen moralischen Anspruch und der gelebten Wirklichkeit. Je aggressiver der äußere Angriff, umso heftiger tobt oftmals der innere Wertekonflikt.

Natürlich sollten Veganer, wenn sie wütende Reaktionen erfahren, nicht automatisch selbstgefällig davon ausgehen, dass der andere eben ein schlechtes Gewissen hat. Sie sollten sich immer fragen, inwieweit ihr eigenes Verhalten angemessen war. Manchmal schallt es aus dem Wald tatsächlich nur deshalb so laut zurück, weil ebenso laut hinein gerufen wurde. Da gibt es sicher noch sehr viel zu lernen. Niemand sollte sich allerdings kleinlaut zurückziehen und für immer schweigen, nur weil er selbst in der Vergangenheit auch teilweise falsch gehandelt hat. Viele positive gesellschaftliche Entwicklungen hätten vermutlich niemals stattgefunden, hätte es nicht immer schon Menschen gegeben, die das Unrecht der eigenen Handlungen oder Überzeugungen erkannten und mutig die Seiten wechselten, vom Täter bzw. Befürworter des Unrechts zum leidenschaftlichen Anwalt der Opfer.

Armin Rohm