Rebloggt von Tierfreund Hubert
Wir lieben Tiere: Hunde, Katzen, Pferde, Vögel – und wir freuen uns, wenn wir Lämmer oder Kälbchen auf der Weide sehen oder Rehe, die am Waldrand äsen. Andererseits freut sich die Mehrheit der Menschen über ein gutes Stück Fleisch auf dem Teller. Doch niemand möchte darüber nachdenken, dass er Tierkinder isst: Ferkel, Kälber, Lämmer, 6 Wochen alte Masthühner oder 16 bis 23 Wochen alte Gänse und Enten. Warum ist das so? Wo kommt der Gedanke her, Tiere hätten keine Seele und sie wären dafür da, dass wir Menschen sie essen? Fragen, denen Peter Sasse in seinem Buch »Tiere sind die besseren Menschen« nachgeht – aus religiöser, philosophischer, gesellschaftspolitischer und naturwissenschaftlicher Sicht. So erfährt der Leser in dem spannenden Sachbuch Hintergründe und Ursachen von Tierquälerei und Tierversuchen, Massenhaltungen und Schlachthöfen, Profitgier und politischem Handeln in Bezug auf Tierrechte.
Haben Tiere eine Seele?
Peter Sasse untersucht die historischen Wurzeln des heutigen milliardenfachen Tierleids: Wo kommt der Gedanke her, Tiere hätten keine Seele? Im Altertum hatten nach der Philosophie Platos Tiere eine Seele. Für Plato war der Unterschied zwischen Tier und Mensch nicht exakt festgelegt, sondern fließend. Erst die römisch-katholische Kirche machte eine klare Trennung zwischen den »unvernünftigen« Tieren und der unsterblichen Seele des Menschen als Ebenbild Gottes.
»Ob Gott dies auch so gesehen hat?«, fragt Peter Sasse. »Ich glaube, seine Stellvertreter haben den Tieren die Seele abgesprochen, um sie damit zu entrechten und nach Gutdünken behandeln zu können. Ein Lebewesen ohne Rechte darf gequält und umgebracht werden, ohne dafür Schuld empfinden zu müssen. Genauso hat man jahrhundertelang über Frauen, Schwarze und indigene Völker gedacht. Diejenigen, die sich auf die christliche Lehre beriefen, behaupteten, dass das Gebot ‚Du sollst nicht töten’ nicht für Lebewesen gilt, die keine Seele haben. Die Kirche hatte keine Skrupel, Zigtausend Frauen lebendig zu verbrennen, daneben unzählige Andersgläubige sowie die Ureinwohner Südamerikas, von denen nicht einmal zehn Prozent die Christianisierung überlebten. Den Frauen sprach man später eine Seele zu, wenn auch eine niedrigere als der des Mannes. Seit der Aufklärung musste man diese abstrusen Ansichten nach und nach aufgeben. Heute spricht man zumindest den Frauen und den Schwarzen eine Seele zu. Bei den Tieren tut man sich aber immer noch schwer.«
Bereits in seinem vorherigen Buch »Die Angst vor der Frohen Botschaft« hat sich Peter Sasse ausführlich mit der Institution Kirche und ihrer Geschichte auseinandergesetzt. Hatte er dort die Menschen im Fokus, geht es in seinem neuen Buch »Tiere sind die besseren Menschen« um unsere Mitgeschöpfe, die Tiere. Denn auch sie haben laut Kirche keine Seele und somit keine Rechte – diese Aussagen vertritt ein Großteil der Bischöfe bis heute. Ist es da verwunderlich, wenn in katholisch geprägten Ländern Rituale wie Stierkämpfe und Tieropfer nach wie vor unter großem Beifall zelebriert werden?
Das 5. Gebot gilt nicht für alle
In den Zehn Geboten heißt es eindeutig: »Du sollst nicht töten!«. Doch laut Kirchenlehre gilt »Du sollst nicht töten« nicht für den Umgang mit Tieren, sondern nur für Menschen. Das allerdings hat die Kirche nicht gehindert, zu Zeiten der Kreuzzüge zum massenhaften Töten von Muslimen und Juden aufzurufen oder in Inquisition und Hexenverfolgung millionenfach Andersdenkende foltern und grausam töten zu lassen. »Alle, die außerhalb von Dogmen und Kirchengesetzen standen, waren Freiwild«, schreibt Peter Sasse.
In der Bibel gibt es zu dieser Frage unzählige Widersprüche: Während Gott durch Moses das Gebot »Du sollst nicht töten!« verkündet, fordert angeblich derselbe Gott in vielen Stellen des Alten Testaments zu Hinrichtungen und Kriegen auf. Durch einige Propheten des Alten Bundes lehnt Gott blutige Tieropfer ab, an anderen Stellen des Alten Testaments werden grausige Brandopfer mit genauen Anweisungen des Schlachtens und Zerstückelns gefordert.
Peter Sasse weist darauf hin, dass etliche Historiker die Bibel als das grausamste Buch der Weltliteratur bezeichnen. Und er zitiert den amerikanischen Bischof John Shelby Spong, der die beiden Testamente genau studiert hat: »Wer seine Moral auf der Bibel aufbauen will, hat sie entweder nicht gelesen oder nicht verstanden.« Um Gottes reines und unverfälschtes Wort kann es sich dabei jedenfalls nicht handeln.
»Auch im Neuen Testament lässt sich jede gesellschaftliche und theologische Meinung herausfiltern«, schreibt Sasse. Dies sei nicht verwunderlich, wenn man bedenke, unter welchen Machteinflüssen die Bibel in Jahrhunderten entstanden sei. Und gerade was die Frage über den Umgang mit Tieren angehe, könne man auch im Neuen Testament kaum eine Orientierung finden, da bereits bei der ersten Bibelausgabe (Vulgata) des Hieronymus die Erzählungen von Jesus und den Tieren unterdrückt worden waren. »Die Bibel bleibt Menschenwerk«, schreibt Sasse und zitiert den katholischen Diplom-Theologen Moris Hoblaj, der die Bibel »als das maßgeschneiderte Kleid der Kirche« bezeichnet.
Der römische Kaiser Konstantin kämpfte skrupellos um die Macht im römischen Reich und fasste im Konzil zu Nicäa im Jahr 325 n. Chr. die damals unterschiedlichen Strömungen des Christentums zu einer einheitlichen kirchlichen Macht zusammen. »Die Kirche hatte ohnehin seit der Ausdehnung im römischen Reich das Urchristentum nicht nur weitgehend verlassen. Zusätzlich begann sie, dessen Ideen und Lebensweisen seit dem 4. Jh. regelrecht zu bekämpfen«, erklärt Peter Sasse. Er zitiert als Beispiel aus einem Beschluss der Synode von Ankara aus dem Jahr 314, dass alle Priester und Diakone, die sich des Fleisches enthielten und sich weigerten, nicht einmal mit Fleisch vermischtes Gemüse zu essen, aus dem Amt zu entfernen seien.
»Generell galten die Urchristen fortan nicht nur als Ketzer, sondern vor allem als Anachristen und damit Feinde des Staates«, so Sasse. »Besonders schlimm ging man nun gegen die Vegetarier vor, indem man ihnen den Prozess machte, sie hinrichtete und später fast ganz ausrottete.« Weiter schreibt er: »Um die urchristlich lebenden Kirchengemeinden besser verfolgen zu können, verhängte Papst Johannes III. 561 n. Chr. vierzehn bis heute nicht widerrufene Bannflüche gegen alle Vegetarier.« Und in der 1. Synode von Braga wurde festgelegt: »Wenn jemand Fleischspeisen, die Gott den Menschen zum Genuss gegeben hat, für unrein hält und … auf sie verzichtet, der sei mit dem Bannfluch belegt.« Mit dem Bannfluch fielen Vegetarier nach Lehre der Kirche nicht nur ewigen Höllenqualen anheim, sie galten auch als »vogelfrei«: Der Gebannte verlor als ein aus der Gesellschaft Ausgeschlossener alle Rechte – und so wurden Vegetarier verfolgt und oftmals hingerichtet.
»Ab dem 11. Jahrhundert ließ die päpstliche Inquisition Menschen foltern und aufhängen, die sich weigerten, Tiere umzubringen«, ist in dem Buch weiter zu lesen. Viele Vegetarier landeten durch die Inquisition auf dem Scheiterhaufen. Historisch belegt ist beispielsweise die Hinrichtung von Séréna und Agnès de Châteauxverdun, beide gläubige Katharerinnen: Man hatte sie des »Irrglaubens« überführt, weil sie sich weigerten, ein herbeigebrachtes Huhn umzubringen. »Die Kirche entwickelte eine panische Angst vor Menschen, die nach dem ursprünglichen Christentum lebten, da sie es seit Konstantin für ausgerottet geglaubt hatten«, so Peter Sasse.
Die Katharer wurden durch die Inquistion und einen Kreuzzug der Katholischen Kirche im 13. und 14. Jahrhundert ausgerottet. Über die urchristliche Glaubensbewegung der Katharer findet sich in den Inquisitionsakten der Kirche Folgendes: „…sie durften … kein Tier töten.“ Und: „Ferner glauben sie, dass es sogar in drängender Not eine Todsünde sei, Fleisch, Eier oder Käse zu essen…“ Ab dem 11. Jahrhundert ließ die päpstliche Inquisition Menschen foltern und aufhängen, die sich weigerten, Tiere umzubringen. Die Weigerung, Fleisch zu essen, galt als Erkennungszeichen für „Ketzerei“.
Dass die Katholische Kirche – später auch die Lutherische – über viele Jahrhunderte Hunderttausende so genannte Ketzer verfolgte, grausam foltern und brutal töten ließ, gehört heute zum Allgemeinwissen. Interessant ist jedoch, dass fast allen verfolgten Gemeinschaften, die dem urchristlichen Glauben treu waren – von den Katharern bis zu den Manichäern -, etwas gemeinsam war: Sie weigerten sich strikt, Tiere zu töten und Fleisch zu essen. Als »Ketzer« wurden sie jahrhundertelang verfolgt und erbarmungslos ausgerottet.