Warum die Kirche lügen muss

Ein Vortrag von Prof. Gerd Lüdemann, Neutestamentler an der Universität Göttingen, einer der wenigen ehrlichen Theologe:

Einleitend sei betont, dass der folgende Vortrag sich nicht mit Einzelpersonen der Gegenwart befasst, sondern mit der Institution Kirche bzw. den kirchenleitenden Organen. Trotz der Schärfe der im Vortragsthema gemachten Aussage verletze ich an keiner Stelle die Ehre der Kirchenfunktionäre und schon gar nicht die der Geistlichen, die zum großen Teil Gefangene eines Systems sind.

Mit dem Wort „Lüge“ verbinde ich die Bedeutung, dass Menschen Wahrheit unterdrücken oder Falschaussagen machen. In beiden Fällen geht es also um bewusste Vorgänge, die freilich oft ins Unbewusste verschoben, d.h. verdrängt werden. Nietzsches Beschreibung des Vorgangs bei einer Fälschung dürfte auf den hier vorliegenden Sachverhalt zutreffen: „Das habe ich getan, sagt mein Gedächtnis; das kann ich nicht getan haben, sagt mein Stolz. Endlich gibt das Gedächtnis nach.“

Mit anderen Worten: Was im folgenden kritisch zur Praxis der Lüge in der Kirche ausgeführt wird, mag auf ihre Vertreter auf den ersten Blick ärgerlich, unwahr und vor allem verletzend wirken. Doch gebe ich zu bedenken, dass eine lange bestehende Praxis gelegentlich Züge eines Verdrängungsprozesses aufweist, wie ihn Nietzsche beschrieben hat. Im übrigen möchte ich nach dem vorgelegten Material beurteilt werden. Daher genug der Vorrede!

In einem ersten Abschnitt behandle ich den Umgang der Kirche mit der heiligen Schrift, in einem zweiten, wie Theologie sich als kirchliche Wissenschaft versteht und in einem dritten, wie sich die Kirche in der Öffentlichkeit darstellt, und am Schluss ziehe ich Bilanz.

Nächsten Sonntag: Über den Umgang der Kirche mit der Heiligen Schrift

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