Dr. Gunter Bleibohm: Pack und Wirklichkeit (2)

Fortsetzung vom vergangenem Sonntag:

Wer kann ernsthaft glauben, dass mit Unterbringung fliehender Syrer, Afghanen und Süd-Osteuropäern das Thema erledigt ist? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass sich weitere Massen aus Afrika und Asien auf den Weg machen werden, das Elend im Heimatland gegen weniger Elend in Europa einzutauschen?

Natürlich kommen sie, alles andere ist Illusion und Europa wird langfristig diese Menschen nicht auf sein eigenes Wohlstandsniveau heben können, sondern die kommenden Massen werden Europa aus seiner heutigen Wohlstandsagonie grausam wecken. Verteilungskriege, Ghettobildungen und massive Umweltvernichtung werden die Folge sein. Die Bevölkerung wird im großen Stil systematisch gespalten werden.

Ist es nicht das Volk betrügen, wenn ignoriert wird, dass die Menschheit in die Phase des exponentiellen Wachstums eingetreten ist, eine Phase, die es in der Erdgeschichte für ein Lebewesen vorher nicht gab? Dieses Wachstum bedeutet:

Nettozunahme der Erdbevölkerung pro Sekunde um 2,8 Menschen, d.h. um 80 Millionen Menschen / Jahr mit einer Verringerung der Naturfläche in entsprechender Größe, um diesen Menschen Nahrung und Lebensraum zu bieten; dadurch Verringerung sämtlicher Ressourcen, angefangen von Kohle, Öl, Gas, Wasser bis zu Wäldern, unbesiedelter Naturlandschaft und sauberer Atemluft, sowie die Erschöpfung der Regenerationsfähigkeit des Systems „Erde“.

Zunehmende Verkarstung und Ausbreitung von Wüsten, Abschmelzen der Polkappen und Gletscher durch Anstieg der globalen Temperatur, Klimawandel und fortschreitende Instabilität des Wetters mit Ernteausfällen und Hungersnöten, dadurch Wanderungsnotwendigkeiten für Mensch und Tier in „noch“ intakte Lebensräume, die dann gleichfalls kurzfristig zusammenbrechen.

Regierungen, die einer solchen Fragestellung und Perspektive, die übrigens seit den 70er Jahren durch die Wissenschaft immer vorausgesagt wurde, ausweichen, opfern durch ihre mitleidsbasierte Effekthascherei und primitivste Publicityanstrengung die Interessen des eigenen Volkes, des Volkes, das sie einst zu seinem Schutz und Führung berufen hat. Die Rufe „Volksverräter“ erhalten so einen tieferen Wahrheitsgehalt, ein Wahrheitsgehalt, der die Entfremdung der Politkaste von seinem Wahlvolk nicht besser ausdrücken könnte.

Tausend Fragen zur Ökonomie, zur Verwaltung, zur logistischen Steuerung des Geschehens müssten angeschlossen werden; ich beschränke mich auf zwei exemplarische:

Wo sind in der momentanen Situation eigentlich die christlichen Kirchen, in welchem Versteck hoffen sie auf das Ende der Krise, sie, die von Beruf Mitleid und Barmherzigkeit predigen? Wo hat die katholische Kirche beispielsweise ihre leer stehenden Klöster geöffnet, um Flüchtlinge unterzubringen? Wo sind die Millionenspenden der milliardenschweren Bistümer, der Kirche insgesamt, um Flüchtlingselend zu lindern?

Und als letzes noch die Frage, wo denn Regierungsvertreter, Minister, Staatssekretäre und alle sonstigen hochbezahlten Politkader in ihren Privathäusern Flüchtlinge aufgenommen haben? Wer ist mit gutem Beispiel vorangegangen oder ist ihnen das nicht zumutbar, was von dem Arbeiter, dem Angestellten und der Rentnerin erwartet wird? Mittelalterliche deutsche Könige und Kaiser sind in Krisenzeiten ihrem Volk vorausgeritten, neuzeitliche Staatslenker verbergen sich dagegen in ihren hochgesicherten Villen vor ihrem Volk und fordern, was sie selbst nicht zu leisten bereit sind. Soviel zum Charakterwandel der Herrschenden.

Ein Epigramm von Erich Kästner möge an dieser Stelle den Endpunkt setzen:

Wir werden nicht daran zugrunde gehen, dass einige Zeitgenossen besonders niederträchtig sind, und nicht daran, dass andere besonders dämlich sind. Und nicht daran, dass einige von diesen und jenen mit einigen von denen identisch sind, die den Globus verwalten. Wir gehen an der seelischen Bequemlichkeit aller Beteiligten zugrunde.“