Dr. Gunter Bleibohm: Pack und Wirklichkeit (1)

Der gemeinsame Feind aller ist, wer der Feind der Seinen war. Niemand hat je geglaubt, einem Verräter Vertrauen schenken zu dürfen. (Cicero, In Verrem 2. 1,38)

Nun reist sie wieder durchs Land, von Flüchtlingsheim zu Flüchtlingsheim, die Spitze des Staates. Beileibe nicht die intellektuelle Spitze, wie es in Krisenzeiten notwendig wäre, nein, es reist die Spitze der Regierung, die gewählten Vertreter des Volkes. Aber muss man nicht sofort fragen, wen wählt das Volk, die Masse?

Das Wahlvolk gibt immer dem seine Stimme, der ihm ähnlich ist, ähnlich in Geist, Verhalten und Denken. Aber vorausschauendes, tiefes Denken ist nicht das Spezifikum der Masse. Diese Art des Denkens ist einer Minderheit vorbehalten und – man muss es deutlich aussprechen – Minderheiten im Denken werden in der Demokratie überstimmt, sind unhörbar, da geistige Tiefe nicht in jedermanns Ohr dringt, nicht dringen kann und dringen soll. Friedrich Schiller meinte in seinem „Demetrius“:

Die Mehrheit? Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen‘gen nur gewesen. Der Staat muss untergehen, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.“

Die Staatsspitze ist, so erschütternd die Diagnose auch sein mag, ein repräsentatives Abbild der geistigen Massenstruktur und somit regelmäßig überfordert, wenn weitschauende Entscheidungen zu treffen sind. Als Folge dieser Unfähigkeit zeigt sich die Staatsspitze dem Publikum dann unisono mit einstudierten Betroffenheitsmienen, Mitleid und Anteilnahme heuchelnden Gesichtern, Kinderköpfe streichelnd und mit ausgewählten, frisch gebadeten Asylanten Schaudialoge führend. Honecker und ihm Geistesverwandte machten es ebenso.

Das Durchschaubare ihres Tuns, das Ekelhafte ihres Handelns wird ihnen nicht bewusst. Es kann ihnen nicht bewusst werden, denn sie sind nicht die intellektuelle Spitze, sie sind gewählte Massenmenschen, allzu ähnlich den anderen, die von ihnen bei abweichender Meinung und Sicht der Dinge mit „Pack“ bezeichnet werden. Der Geist folgt aber nicht der Funktion, auch wenn sie meinen, dass ein Aufstieg in der Polithierarchie ein Aufstieg im Intellekt bedeutet. Ihre demokratischen Prinzipien, in Sonntagsreden bis zum Erbrechen beschworen, verlieren sich in solchen Situationen sofort in den Niederungen ihres Schmalspurintellekts. Wer nicht synchron zur Propagandamaschinerie der Staats- und Parteiführung marschiert, wird beschimpft, bedroht und ausgegrenzt. Man merkt es den Politakteuern überdeutlich an, dass die Orwellsche Vorausschau in ihnen unbewusst lebt. In „1984“ drückte er es folgendermaßen aus:

In gewisser Weise ließen sich diejenigen am leichtesten von der Parteidoktrin überzeugen, die ganz außerstande waren, sie zu verstehen. Diese Menschen konnte man leicht dazu bringen, die offenkundigsten Vergewaltigungen der Wirklichkeit hinzunehmen, da sie nie ganz die Ungeheuerlichkeit des von ihnen Geforderten begriffen und überhaupt nicht genügend an politischen Fragen interessiert waren, um zu merken, was gespielt wurde. Dank ihrer Unfähigkeit zu begreifen, blieben sie ganz unbeschadet … . Welche Ansichten die Massen vertreten oder nicht vertreten, wird als belanglos angesehen. Man darf ihnen getrost geistige Freiheit einräumen, denn sie haben keinen Geist.“

Aber das Volk auf den Straßen verlangt von diesen Überforderten Antworten, Perspektiven und eindeutige Lösungswege auf Fragen, die sich die Regierungskaste – zumindest nicht öffentlich – bisher nicht einmal gestellt hat. Denn an welcher Grenze, an welcher roten Linie, wird die ganze Mitleids-, Hilfs-und Betroffenheitswelle enden, wenn auch dem letzten Bürger bewusst wird, dass Europa nicht einer temporären Flüchtlingswelle , sondern einer Völkerwanderung gegenüber steht, deren Wucht und Ausmaß alles bisherige vergessen lässt, die alten Gewohnheiten und Strukturen aushebelt, die grundlegend lebensverändernd sein wird? Eine Völkerwanderung übrigens, die durch Religionskriege geschürt und verschärft wird, eine Völkerwanderung, die in den arabischen Ländern ihren Auslöser in den schwachsinnigen Demokratisierungsideen und kriminellen Kriegstreibereien eines „befreundeten“ amerikanischen Präsidenten hatte, eine Völkerwanderung, die nicht mehr zum Stillstand kommen k a n n , eine Völkerwanderung, die massiv in die Zukunft der eigenen Nachkommen eingreift.

Fortsetzung folgt …..

 

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..